Bis ein junger Baum hoch und stark wird, vergehen Jahre. Dagegen wachsen Lügen sehr schnell in den Himmel. Diese Tatsache machen sich in letzter Zeit die Initiatoren einer Verleumdungskampagne zunutze, die die geplante Pflanzung eines »SPD-Waldes« in Israel verhindern wollen. In einem an führende Politiker der deutschen Sozialdemokratie gerichteten »offenen Brief«, fordert das »Palästinakomitee Stuttgart« von den Adressaten, ihre Unterstützung für den Wald – von der SPD zu Ehren des 65. Gründungstages des Staates Israel geplant – zurückzuziehen.
Bei dem »offenen Brief« handelt es sich um eine Ansammlung von Verleumdungen. Thesen, wie sie im antiisraelischen Milieu in Deutschland gang und gäbe sind. Der Brustton der Überzeugung, in dem das »Palästinakomitee Stuttgart« seine Anschuldigungen verbreitet, macht die Verleumdungen nicht wahrer, zielt aber darauf ab, möglichst viele Menschen gegen das in Wirklichkeit positive und nachahmenswerte Projekt einzustimmen.
Jüdischer Nationalfonds Das Rufmord-Pamphlet verleumdet insbesondere den Jüdischen Nationalfonds (JNF oder, nach dem hebräischen Akronym als KKL bekannt), Israels größte Umweltorganisation, die seit der Staatsgründung im Jahr 1948 das Land durch Wiederaufforstung vor schwerwiegenden ökologischen Schäden bewahrt. Bisher hat der KKL rund 260 Millionen Bäume gepflanzt. Die von den Israelis dabei gemachten Erfahrungen sind auch bei der Verhinderung der Wüstenbildung in anderen Ländern und Weltregionen hilfreich.
Ganz anders sieht es das »Palästinakomitee«. In dessen Machwerk mutiert der KKL zu einem Monster, dessen Aktivitäten »eng mit Ausgrenzung, Vertreibung und Enteignung der PalästinenserInnen verbunden sind«. Und natürlich darf das Wort »Apartheid« in dem Dokument nicht fehlen. Laut dem Papier werden KKL-Bäume auf Böden gepflanzt die vertriebenen Palästinensern gehören.
Im Rahmen des vom »Palästinakomitee« beanstandeten KKL-Entwicklungsplans für die südisraelische Negev-Wüste wiederum sollen, so ein weiterer Anklagepunkt »70.000 PalästinenserInnen zwangsumgesiedelt werden«. Als Heimat für sie sehe Israel »ärmliche Planstädte« vor. Eine der »Planstädte« wird als »Township« bezeichnet – auch das ein Griff zum Vergleich zwischen Israel und dem ehemaligen südafrikanischen Apartheid-Regime. Wohlgemerkt werden die israelischen Beduinen, die selbstverständlich israelische Staatsbürger sind, durchgehend als »Palästinenser« bezeichnet.
Kampagne Eigentlich verdient es solch eine Hetzschrift nicht, dass auf sie eingegangen wird. Allerdings droht die Kampagne, Teile der deutschen Öffentlichkeit in die Irre zu führen und stellt einen Versuch dar, die deutsche Sozialdemokratie vor den Karren des Israel-Hasses einzuspannen. Mehr als das: Letztendlich stellen die Verfasser des Schreibens allein schon die Gründung des Staates Israel als einen kriminellen Akt dar. Zudem werden Verleumdungskampagnen dieser Art wiederholt vom Zaun gebrochen. Deshalb soll an dieser Stelle auf die zutiefst israelfeindlichen Thesen des »offenen Briefes« eingegangen werden.
Die Wahrheit ist, versteht sich, anders als von den Israel-Hassern dargestellt. Auf der Grundsatzebene ist der Jüdische Nationalfonds keine Partei im Streit um Bodeneigentum. Der KKL pflanzt nur auf staatseigenem Boden und auf Anweisung der staatlichen Bodenverwaltung. Baumaschinnen des KKL dienen nur zur Bodenaufbereitung und zu Pflanzungen, wurden aber niemals zur Zerstörung von Gebäuden eingesetzt.
Eigentümer Die Anschuldigungen, der KKL pflanze auf Böden, die arabischen Eigentümern gehörten, sind in Dutzenden von juristischen Prüfungen ebenso wie durch die Vorlage historischer Zeugnisse wie Eigentumsregister und Urkunden aus der Osmanen-Ära (bis 1917) und aus der Zeit des britischen Mandats (bis 1948) sowie durch Luftaufnahmen aus der Mandatszeit widerlegt worden.
Das gilt auch für Behauptungen zu dem im »offenen Brief« genannten Dorf Al Arakib. Bei einer gerichtlichen Überprüfung der im Fall Al Arakib erhobenen Ansprüche konnten die Kläger für keinen Zeitpunkt Sesshaftigkeit oder Bodennutzung nachweisen. Wie aus osmanischen Dokumenten für das Jahr 1858 hervorgeht, gab es an der betreffenden Stelle keine feste Siedlung.
Gleiches ergibt sich aus Erhebungen des angesehenen britischen Palestine Exploration Fund für die Jahre 1871–1877 hervor. Für das Jahr 1945 zeigte eine Auswertung zeitgenössischer Luftaufnahmen, dass sich dort allenfalls Nomaden, aber keine sesshaften Einwohner aufgehalten haben. Im Ergebnis gelangte das unabhängige Gericht zu der Schlussfolgerung, dass es in dem relevanten Gebiet zu keinem relevanten Zeitpunkt eine Siedlung gegeben hat.
Beduinen Die in dem Pamphlet erhobenen Vorwürfe, der KKL würde Böden von Beduinen im Negev an sich reißen, sind auch deshalb absurd, weil alle bestehenden Beduinenstädte im Negev in den letzten Jahren eine Ausweitung ihres Gebietes beantragt hatten. Der KKL hat daraufhin der Expansion der Ortschaften auf Kosten seiner Waldflächen zugestimmt. Zudem hat er auf Waldflächen zugunsten neuer Beduinenortschaften verzichtet.
Der KKL investiert umfangreiche Mittel im nördlichen Negev. Dort geht es darum, eine Ausdehnung der Wüste nach Norden und das Wegschwemmen von Böden zu verhindern und eine »grüne Lunge« für die Bewohner der Region sowie Weideflächen zu schaffen. Zwei Drittel der von der Beduinenbevölkerung im Negev zur Viehzucht genutzten Weideflächen liegen innerhalb der KKL-Wälder. Der KKL arbeitet eng mit der überwältigenden Mehrheit der Beduinenbevölkerung zusammen und unterstützt ihre sozioökonomische Entwicklung.
Die vom »Palästinakomitee Stuttgart« aufgestellte Behauptung, auch der »Willy-Brandt-Wald« in Galiläa sei ein Beispiel für die Vertreibung von Palästinensern, entbehrt jeder Grundlage. Der Willy-Brandt-Wald ist Teil des sogenannten Keshet-Waldes. Dieser aber befindet sich nicht einmal in der Nähe ehemaliger Wohnorte: Das Gebiet war bereits unter britischer Herrschaft ein Naturschutzgebiet.
All das bedeutet nicht, dass die Beduinenbevölkerung im Negev sorgenfrei ist. Der Übergang zur sesshaften Lebensweise, verbunden mit einer schnellen Bevölkerungsexpansion und einem mit rund 60 Prozent sehr hohen Anteil von Kindern und Jugendlichen unter 18 Jahren, haben in der Tat zu Problemen geführt – nicht nur im Bereich der Ansiedlungsgebiete, sondern auch im Bildungswesen und bei der Integration von Beduinen ins Arbeitsleben geführt. Allerdings ist Israel nicht das einzige Land der Welt, in dem der Übergang nomadischer Bevölkerungsgruppen zur Moderne Schwierigkeiten mit sich bringt.
Es trifft zu, dass diese Probleme lange Zeit nicht in ihrer vollen Schärfe erkannt wurden. In den letzten Jahren unternimmt Israel indessen zahlreiche Schritte, um die Lebensbedingungen der Negev-Beduinen zu verbessern. Dazu gehören Maßnahmen zur Förderung der Partizipation am Arbeitsleben, beispielsweise durch die Schaffung wohnortnaher Gewerbeansiedlungszonen. Dies ist insbesondere für Frauen von Bedeutung.
Im Januar 2013 hat die israelische Regierung ein von Minister Zeev Benjamin Begin (Sohn des ehemaligen Ministerpräsidenten Menachem Begin) ausgearbeitetes Programm zur Förderung der Ansiedlung sowie der Wirtschafts- und Sozialentwicklung der rund 200.000 Beduinen im Negev verabschiedet. Sieht »Apartheid« so aus?
Rassismus Wenn von Rassismus die Rede ist, so ist er allenfalls beim »Palästinakomitee Stuttgart« zu finden. In seinem Schreiben fordert das Komitee die Adressaten auf, kein Geld für KKL-Projekte zu spenden, sondern Bäume in palästinensischen Gärten zu finanzieren, denn dort wäre dies eine »wirklich umweltfreundliche Maßnahme«. Soll das heißen, dass »jüdische« Bäume die Luft verpesten, während »palästinensische« Bäume sie reinigen?
Es ist zu hoffen, dass solche Hasspropaganda in Deutschland kein Gehör findet. Der geplante SPD-Wald soll Teil des bestehenden »Waldes der deutschen Länder« werden und wird die Lebensqualität aller Bewohner der Region verbessern, ob sie nun Juden oder Araber sind. Wir wünschen diesem großartigen Projekt viel Erfolg.
Der Autor ist Generalsekretär des Zentralrats der Juden in Deutschland.