Im neuen Warschauer Museum der Geschichte der polnischen Juden unterzeichneten am vergangenen Freitag Vertreter der Bundesregierung und der Republik Polen einen längst überfälligen Vertrag. Sein holpriger Titel lautet: »Abkommen zum Export besonderer Leistungen für berechtigte Personen, die im Hoheitsgebiet der Republik Polen wohnhaft sind«.
Wenn das Gesetz, mit dem das Abkommen umgesetzt werden soll, beschlossen ist, werden ab dem Sommer 2015 endlich auch die in Polen lebenden ehemaligen Arbeiter in nationalsozialistischen Ghettos die ihnen zustehende Rente erhalten. Der politische Wille dazu war bereits im Juni 2014 verkündet worden, die Aushandlung des Abkommens hat aber weitere Monate gedauert.
Im Jahr 2000 hatte die polnische »Vereinigung der Jüdischen Kombattanten und Geschädigten des Zweiten Weltkriegs« einen entsprechenden Antrag gestellt: Damals lebten noch 860 Berechtigte. Als das Bundessozialgericht im Jahr 2009 entschied, dass ihr Anspruch prinzipiell berechtigt ist, lebten noch 250 ehemalige Ghettoarbeiter. Wie viele im Sommer endlich das ihnen zustehende Geld erhalten werden, ist unklar, vermutlich sind es deutlich weniger.
zentralrat Entsprechend zwiespältig fallen die Reaktionen von Verbänden und Politikern aus, die sich seit Jahren mit dem Thema beschäftigt hatten. Für den Zentralrat der Juden in Deutschland begrüßte dessen Präsident Josef Schuster das Abkommen, da nun »die Menschen in unserem Nachbarland nicht leer ausgehen, obwohl sie gleiche Ansprüche haben«. Gleichwohl kritisierte Schuster, dass »für viel zu viele Menschen die Zahlungen leider zu spät kommen, weil der politische Wille zur Umsetzung gefehlt hatte«.
Der Zentralrat wie auch die Claims Conference hatten seit Jahren für die Interessen der ehemaligen Ghettoarbeiter gekämpft. Eine Regelung für Berechtigte, die in Deutschland und in Israel leben, war erst im Frühjahr 2014 auf Initiative von Arbeitsministerin Andrea Nahles (SPD) zustande gekommen.
Gängelung Verhaltenes Lob für den Vertrag kommt auch vom Bundesverband Information und Beratung für NS-Verfolgte. »Es ist gut, dass es überhaupt so weit gekommen ist«, erklärt dessen Sprecher Jost Rebentisch. »Schlimm ist, dass es so lange gedauert hat, denn Tausende Berechtigte haben es nicht erleben dürfen.«
Der Bundestagsabgeordnete Volker Beck (Grüne), der im März 2013 gemeinsam mit der SPD und den Linken versucht hatte, die sofortige Auszahlung zu erreichen und an der damaligen Bundestagsmehrheit von CDU/CSU und FDP gescheitert war, sagte, er sei »froh und dankbar, dass diese Lücke bei den Ghettorenten geschlossen wurde«. Nun müsste den Menschen weitere bürokratische Gängelung erspart werden. »Es wurde lange genug auf Zeit gespielt.«