Der Tagesordnungspunkt 9 am vergangenen Donnerstag im Bundestag lautete »Antisemitismus entschlossen bekämpfen, jüdisches Leben in Deutschland weiterhin nachhaltig fördern«. Fast alle Fraktionen stimmten dem gleichlautenden Antrag zu, nur Die Linke enthielt sich. Trotz dieser nicht vollen Einigkeit im Parlament zeigte sich Dieter Graumann, Präsident des Zentralrats der Juden, froh, »dass der Bundestag dieses Signal hier auf glaubwürdige Weise gesetzt hat«.
Die Linke war keineswegs von Beginn an von den Beratungen über den Inhalt der Resolution ausgeschlossen. In einem überfraktionellen Arbeitskreis zum Thema Antisemitismus wirkt die Linke-Politikerin Petra Pau, Vizepräsidentin des Bundestags, seit Jahren mit, und von dort kam auch die Initiative zu einer neuen Resolution. Erst als das Papier an die Innenpolitiker der CDU/CSU ging, die es redaktionell und inhaltlich bearbeiteten, wurden die Linken aus dem Kreis derer, die den Antrag ins Parlament einbringen, gestrichen.
Antrag Bereits im Jahr 2008 hatte der Bundestag einen ähnlichen Antrag verabschiedet: Auch damals hatten die Unionsfraktionen darauf gedrängt, dass Die Linke nicht dabei ist. Die hatte daraufhin einen eigenen Antrag – textidentisch mit dem der Mehrheit – eingebracht.
Gegen den Ausschluss der Linken wettern nicht nur die Linken selbst. Bei den Grünen versuchte bis zuletzt sogar der Fraktionsvorstand telefonisch bei Volker Kauder, dem Fraktionschef der CDU/CSU, zu erreichen, dass eine gemeinsame Erklärung aller Bundestagsparteien zustandekommt. »Es gibt bei uns die Generalregel, dass wir mit der Linken nicht zusammenarbeiten«, erklärt Hans-Peter Uhl (CSU) das Vorgehen. »Hinzu kommt, dass bei der letzten Resolution elf Linke-Abgeordnete sich der Abstimmung verweigert haben.«
rückschritt Petra Pau kontert, dass das Papier, das jetzt beschlossen wurde, ein »inhaltlicher Rückschritt« im Vergleich zu der Resolution von 2008 sei. Im jetzt beschlossenen Antrag wird die Bundesregierung aufgefordert, gleich zu Beginn der nächsten Legislaturperiode »unabhängige Sachverständige aus Wissenschaft und Politik« zu benennen, die einen Bericht zu dieser »besonderen Form der gruppenbezogenen Menschenfeindlichkeit« erstellen und dem Bundestag vorlegen.
SPD, Grüne und Linke verweisen darauf, dass ein solcher Bericht schon vorliegt: 2008 in besagtem Beschluss gefordert und 2011 dem Parlament vorgelegt. Uhl sagt, seine Fraktion sei »etwas enttäuscht« gewesen, dass es an konkreten Vorschlägen gemangelt habe. »Wir wollen praktische Unterstützung, theoretisch wissen wir genug.« Petra Pau nennt das die »De-facto-Abwicklung des Expertengremiums und Ersetzung durch eine unverbindliche Absichtserklärung«.
Volker Beck, parlamentarischer Geschäftsführer der Grünen, sagt, dass in dem vorliegenden Bericht sehr wohl konkrete Vorschläge stehen: etwa die Abschaffung der Extremismusregelung, die Projekte, die gegen Antisemitismus und Rechtsextremismus arbeiten, unter Generalverdacht stelle. Ähnlich argumentiert Gabriele Fograscher (SPD), der es nach ihrer Aussage immerhin gelungen ist, einen ursprünglich im Antrag genannten Finanzierungsvorbehalt für Projekte gegen Antisemitismus und Rechtsextremismus zu streichen. Fograscher, die dem Papier zustimmte, sagte im Plenum: »Der Antrag ist ein Kompromiss.«
zentralrat An den Beratungen über die Resolution waren auch der Zentralrat und das American Jewish Committee beteiligt gewesen. Dieter Graumann betonte, der Beschluss zeige, dass es im Bundestag »die notwendige Sensibilität für das Thema Antisemitismus« gebe. Ein unabhängiges Expertengremium sei nach wie vor unverzichtbar, »denn offenbar gibt es keine dauerhafte Heilung gegen die Krankheit von Rassismus und Antisemitismus«. Graumann erinnerte die Parlamentarier aber auch daran, dass der Kampf gegen Antisemitismus nicht nur im Verabschieden von Resolutionen bestehe. »Wer Antisemitismus in Deutschland nachhaltig bekämpfen will, muss zum Beispiel dafür auch nachhaltig Geld ausgeben wollen.«