Neuerdings gelten sie als zu lasch: Linke-Politiker wie Norman Paech, Wolfgang Gehrcke oder Annette Groth, die sich selbst als »israelkritisch« bezeichnen. Im Umfeld der Partei werden sie beschimpft. Eine seit wenigen Wochen kursierende Unterschriftensammlung mit dem Titel »Menschen- und Völkerrecht sind unteilbar« fordert die Einstellung aller Annäherungen der Partei an Israel. Zugunsten einer vermeintlich propalästinensischen Solidarität. Dass im April die Bundestagsfraktion ein Papier verabschiedete, in dem sie sich zum Existenzrecht Israels bekennt und unter anderem das »sofortige Ende des palästinensischen Raketenbeschusses« fordert, bringt die Freunde eines harten Kurses gegen den jüdischen Staat noch mehr in Rage.
apartheid Als Initiator des »Menschen-und Völkerrechtspapiers« gilt Thomas Immanuel Steinberg, ein sich seit Jahren im Milieu tummelnder selbsternannter Publizist. Die Parteiprominenz, auch ihr »israelkritischer« Teil, fehlt unter den über 150 Unterschriften fast völlig. Einzig Inge Höger, die Bundestagsabgeordnete, die Ende Mai zur Besatzung der umstrittenen Gaza-Flottille gehörte, hat signiert. Von »Apartheidähnlichen Verhältnissen« in Israel ist die Rede, der Zionismus sei Rassismus und basiere auf dem europäischen Kolonialismus. Daher solle Deutschland keine Waffen nach Israel liefern, und Produkte, die in den besetzten Gebieten oder Ostjerusalem hergestellt werden, dürften nicht nach Europa exportiert werden. Sogar, dass die Palästinenser das Recht hätten, ihren »Befreiungskampf bewaffnet zu führen«, ist da zu lesen. Das gehe »gegen die Repressionsorgane der Unterdrücker«, sagt Mitinitiator Steinberg, der das Papier auf seiner Webseite präsentiert. Wer wen bedroht, ist für Steinberg klar: »Die israelische Seite ist somit Täter, die palästinensische Seite Opfer.« Wolfgang Gehrcke, der als strategischer Kopf der »Israelkritiker« gilt, sieht für Steinbergs Petition keinen Bedarf: »Das Positionspapier der Fraktion Die Linke ist klar und eindeutig.« Dem Obmann der Partei im Auswärtigen Ausschuss des Bundestags genügt das: »Deswegen werde ich gegenwärtig keine weiteren Positionspapiere unterzeichnen.«
einzelmeinung Bei den als Pro-Israel-Fraktion geltenden Kräften in der Partei bleibt man trotz Steinbergs Kampagne gelassen. Das Papier gebe nur die Meinung einiger weniger Mitglieder der Linkspartei wieder. Nicht mal den Sprung auf Tagesordnungen von Parteiveranstaltungen habe es geschafft, sagt man beim BAK Schalom, dem Bundesarbeitskreis in der Linksjugend, der für die israelfreundlichsten Thesen in der Partei steht. »Die große Mehrheit der Partei vertritt in Bezug auf Israel jene Positionen, die die Fraktion im Bundestag am 20. April in Form des Positionspapiers formuliert hat«, heißt es im BAK. Gleichwohl rüsten die Kräfte auf, die einen Ausverkauf der internationalen Solidarität wittern, wenn Linke israelische Sicherheitsinteressen ernstnehmen. Steinbergs Petition gehört zu dieser Kampagne, auch ein mit viel Aufwand vertriebenes Buch des umstrittenen Duisburger Lokalpolitikers Hermann Dierkes und der Publizistin Sophia Deeg, Bedingungslos für Israel?, gehört dazu. Und abgewickelte DDR-Professoren wie Detlef Joseph tingeln mit Buchtiteln wie Vom angeblichen Antisemitismus der DDR durch die Lande. Der Umstand, dass im Nahen Osten ein jüdischer Staat existiert, löst bei einigen innerhalb und außerhalb der Links-Partei Obsessionen aus.
sammelsurium Nicht zuletzt deswegen sieht Samuel Salzborn, Politologe und Antisemitismusforscher, bei der Partei Die Linke ein »handfestes Antisemitismusproblem«. Zwar finde sich in den Papieren der Steinbergs, Dierkes’ und Josephs ein »Sammelsurium von linksextremen, israelfeindlichen Parolen der letzten Jahrzehnte«, und die Unterzeichner seien oftmals Personen, »die gern wichtig wären – für die sich aber politisch letztlich niemand wirklich interessiert«. Aber, fügt Salzborn hinzu, immer wenn Petra Pau, Gregor Gysi oder der BAK Schalom den Israelhass in ihrer Partei thematisieren, begegnet ihnen eine erstaunlich breite Front des Widerstands.