Bundespräsidenten-Wahl

Linken-Kandidat irritiert mit Vergleich zwischen Geflüchteten und verfolgten Juden

In der Kritik: Gerhard Trabert Foto: imago images/photothek

Der Kandidat der Linken für das Amt des Bundespräsidenten, Gerhard Trabert, hat mit Blick auf die soziale Ausgrenzung armer und geflüchteter Menschen eine Parallele zur Verfolgung von Juden in der NS-Zeit gezogen. Beim digitalen Jahresauftakt der Linken zitierte der Sozialmediziner am Samstag einen jüdischen Jugendlichen, der 1945 im NS-Konzentrationslager Bergen-Belsen starb. In seinem Tagebuch hatte der Junge beklagt, dass die Gesellschaft das Schicksal der Juden ignoriere.

Dazu sagte Trabert: »Warum dieses Zitat? Wie damals viele Deutsche wussten, was mit den Juden geschieht, ist es heute so, dass wir wissen, was mit geflüchteten Menschen im Mittelmeer, in libyschen, in syrischen Lagern geschieht. Wir wissen, wie die Armut zunimmt, wir wissen um die erhöhte Sterberate von armen Menschen auch hier in Deutschland. Wenn man vergleicht das reichste mit dem ärmsten Viertel, sterben arme Frauen 4,4 und arme Männer 8,6 Jahre früher. Das ist alles ein Skandal.« Die Ursachen lägen in der Wirtschafts-, Sozial-, Handels- und Außenpolitik. »Wir dürfen nicht aufhören, dies, auch diese Form von struktureller Gewalt immer wieder zu benennen«, sagte Trabert.

Später stellte der Kandidat auf Twitter klar: »Es geht mir nicht um eine historische Gleichsetzung. Das von den Nationalsozialisten verursachte Leid vieler Menschen war unbeschreiblich größer und ist nicht vergleichbar. Aber die Tendenz des Wegschauens muss deutlich kritisiert werden. Mir geht es ums Hinschauen, gerade in der heutigen Zeit und um ein Lernen aus der Vergangenheit.«

Der Parteilose war diese Woche von der Linken als Kandidat für die Wahl des Bundespräsidenten im Februar nominiert worden. Der Arzt arbeitet seit Jahrzehnten in der Gesundheitsversorgung von Obdachlosen und Flüchtlingen. Er sagte zur Lage heute: »Auch die Gerichte missbrauchen ihre Macht, um Kritik in dieser Demokratie mundtot zu machen. Das dürfen wir nicht akzeptieren.« Trabert berief sich auf den Franzosen Stéphane Hessel und dessen Kritik am Finanzkapitalismus und betonte, nötig sei »Widerstand« gegen eine unsoziale Politik. Da müsse auch die Linke noch profilierter werden.

Der parlamentarische Geschäftsführer der FDP-Bundestagsfraktion, Johannes Vogel, kritisierte Trabert für den Nazi-Vergleich. Mit Blick auf die soziale Ausgrenzung heute eine Parallele zur Verfolgung von Juden in der NS-Zeit zu ziehen, sei »absolut inakzeptabel und ebenso wirr wie historisch entglitten«, sagte Vogel der »Welt am Sonntag«: Ihm sei »völlig unbegreiflich, dass sich immer wieder jemand findet, der geschichtsvergessene Vergleiche zur NS-Zeit zieht«.

Der Kandidat der Linken disqualifiziere sich damit »selbstverständlich und für jeden offenkundig für das höchste Staatsamt«, so Vogel weiter. Die Partei sollte kritisch abwägen, ob sie diese Kandidatur weitertrage. dpa/kna

Bundestag

CDU will Sofortprogramm zum Stopp illegaler Migration beschließen

Die Einzelheiten im Überblick

von Jörg Blank  02.02.2025 Aktualisiert

Proteste

Für Vielfalt und die »Brandmauer«

Nach der Abstimmung von Union und AfD im Bundestag gehen in ganz Deutschland Zehntausende auf die Straße

 01.02.2025

Rechtsextremismus

»Junge Alternative« löst sich auf

Der AfD-Nachwuchs soll an die kurze Leine. Eine neue Organisation soll die Junge Alternative ersetzen

 01.02.2025

Diplomatie

»Historisches Treffen« zwischen Netanjahu und Trump

Israels Ministerpräsident will mit dem US-Präsidenten am Dienstag in Washington über die Zukunft des Gazastreifens sprechen

 01.02.2025

Meinung

Dieser Weg führt zu einer Koalition mit der AfD

Die Union und ihr Kanzlerkandidat haben sich verrannt. Wird eine Mehrheit im Bundestag mithilfe der AfD zur Regel, kommt die rechtsextreme Partei früher oder später an die Macht

von Joshua Schultheis  01.02.2025

Pro und Contra

Ist das der Riss in der Brandmauer?

Im Deutschen Bundestag ist erstmals eine Mehrheit nur mithilfe von AfD-Stimmen zustande gekommen. Ein schwerer Fehler der Unionsparteien, meint Joshua Schultheis. Ein unvermeidbarer Vorgang in der Parteiendemokratie, sagt Philipp Peyman Engel

von Joshua Schultheis, Philipp Peyman Engel  01.02.2025

Kommentar

Historischer Tabubruch? Einreißen der Brandmauer?

Friedrich Merz und die Verschärfung der Migrationspolitik: Eine Einordnung von JA-Chefredakteur Philipp Peyman Engel

von Philipp Peyman Engel  01.02.2025

Berlin

So reagiert der Zentralrat der Juden auf die Debatte über die Asyl-Wende

Josef Schuster: »Der Verlust des Willens zum Konsens der politischen und parlamentarischen Mitte in diesem Land beunruhigt mich zutiefst«

 01.02.2025

Berlin

Bundestag stimmt gegen Gesetz zur Begrenzung der Migration

Die CDU/CSU hat für ihr Gesetz für mehr Härte in der Migrationspolitik keine Mehrheit gefunden

 01.02.2025