Ja, die Wahrheit tut manchmal weh – und als Gast ist man zwar König, aber Unsinn darf man deshalb noch lange nicht erzählen. An diese Weisheiten des deutschen Volksmunds wird man erinnert, wenn man erfährt, was sich vor wenigen Tagen beim Neujahrsempfang der Jüdischen Gemeinde Duisburg zugetragen hat: Dieter Graumann, Präsident des Zentralrats der Juden, sagte die Wahrheit, als er bemerkte, dass es bei den »Betonköpfen« in der Linkspartei »viel fanatische Israelfeindlichkeit« gebe, gerade in Duisburg. Das nahm der ebenfalls eingeladene Fraktionschef der Duisburger Linken, Hermann Dierkes, zum Anlass, sich zu beschweren: Graumanns Rede sei »eine grobe Ungehörigkeit«, ja, »so geht man nicht mit Gästen um«.
Eklat So geht man nicht mit Israel um! Die Duisburger Linken und speziell Dierkes haben offenbar ein massives Problem mit dem jüdischen Staat – und damit, die Grenze zwischen Israelkritik und Antisemitismus zu ziehen. Dierkes ist schon früher unangenehm in Erscheinung getreten, als er als Oberbürgermeister-Kandidat zum Boykott israelischer Waren aufrief. Bundesweit aufgefallen sind die Duisburger außerdem damit, dass sie auf einer ihrer Internetseiten einen Davidstern zeigten, in den ein Hakenkreuz geflochten war. Und nun der neueste Eklat des Lokalpolitikers, der offenbar hofft, mit antisemitisch gefärbtem Antizionismus in bräunlich-trüben Gewässern der nationalen Politik nach Wählern fischen zu können.
Die Duisburger Genossen müssen von der Bundespartei zur Räson gebracht werden. Schließlich gelobte man ja in Berlin nach der explosiven parteiinternen Antisemitismus-Debatte der jüngsten Zeit, dass für Judenfeindlichkeit in den eigenen Reihen kein Platz sei. Der Umgang mit dem neuesten Eklat wäre eine gute Gelegenheit zu beweisen, dass diesen Schwüren der Parteispitze Glauben zu schenken ist. Oder, um auch noch Erich Kästner zu bemühen: Es gibt nichts Gutes, außer man tut es.
Der Autor ist Reporter bei der Tageszeitung »taz«.