Aus dem Kalender vieler Juden in Großbritannien ist es nicht mehr wegzudenken: das jährliche Limmud-Festival, das Tausende von jüdischen Menschen zu gemeinsamem Lernen und Diskutieren einlädt. Alle sind willkommen, ob orthodox, konservativ, liberal oder säkular. In vielen Ländern wurde das Konzept erfolgreich kopiert. Auch in Deutschland, wo jedes Jahr Hunderte zum Limmud-Festival zusammenkommen und sich inspirieren lassen, von Gleichgesinnten und Andersdenkenden, von Rabbinern und Laien aller Denominationen.
Doch jetzt ist in Großbritannien eine bittere Kontroverse über Limmud ausgebrochen – und sie sollte jedem, dem der Bestand der Einheitsgemeinden unter dem Dach des Zentralrats der Juden in Deutschland ein Anliegen ist, zu denken geben. Was ist passiert? Der neue britische Oberrabbiner Ephraim Mirvis hat angekündigt, im Dezember an der Limmud-Konferenz teilzunehmen – anders als sein Vorgänger Jonathan Sacks, der aus Rücksichtnahme auf die Ultraorthodoxie während seiner Amtszeit kein einziges Mal zu dem Festival gekommen war.
kritik Die Veranstalter freuten sich, doch Mirvis handelte sich umgehend scharfe Kritik einer einflussreichen Gruppierung von charedischen Hardlinern ein, die in »The Jewish Tribune« in einem Offenen Brief gegen seine Ankündigung protestierten. Eine Teilnahme an dem pluralistischen Festival bedeute für »jeden Juden, der auf dem rechten Pfad zu wandeln wünscht«, die »Unterschiede zwischen authentischem Judentum und Pseudo-Judentum zu verwischen, was tragische Folgen für das englische Judentum haben würde«.
Aber darüber, was authentisches Judentum ist, scheiden sich die Geister – seit mehr als 2500 Jahren. Der in britisch-jüdischen Zeitungen heiß diskutierte Konflikt – mehr als 30 führende Gemeindemitglieder solidarisierten sich mit Oberrabbiner Mirvis – geht daher auch uns an. Keine Strömung im Judentum hat die Wahrheit gepachtet. Schon gar nicht, wenn es um die Frage geht, welche Haltung »authentisch« ist und welche nicht.
Interne Toleranz ist für eine kleine jüdische Gemeinschaft, wie wir es sind, unabdingbar. Wir brauchen weiterhin Begegnungen, bei denen säkulare, orthodoxe, konservative und liberale Juden sich austauschen und einander zuhören. Wer lieber abseits stehen möchte, der sollte das nicht von anderen verlangen.