Meinung

Lasst uns über uns reden!

Klausur in Zeiten von Corona (Louvain-LaNeuve, Juni 2020) Foto: imago

Dass die Zeit der Corona-Pandemie für alle herausfordernd ist, ist kein Geheimnis. Auch wir als Studierende müssen unseren Alltag neu strukturieren und uns in neue Systeme einfinden.

Das häufig turbulente Leben der Studierenden zwischen Uni, Arbeit und Sozialleben hat sich immens verändert. Viele haben ihre Nebenjobs verloren, sind durch die Angst um Familienangehörige belastet und sehen sich im kleinteiligen Digital-Angebot der Hochschulen verloren. Dies kann eine ernsthafte Ursache für Einsamkeit, Kummer, Zweifel, Zukunftsangst, aber auch Angststörungen und Depressionen sein. 

KRANKHEITSBILDER »Fast jeder dritte Mensch leidet im Laufe seines Lebens an einer behandlungsbedürftigen psychischen Erkrankung«, so das Bundesministerium für Gesundheit. Angststörungen und Depressionen sind die häufigsten Krankheitsbilder. Trotzdem sprechen wir als Gesellschaft nur bedingt über mentale Gesundheit. Vielleicht ist die Ursache dafür, dass wir alle ausnahmslos betroffen sind. Auch gibt es keinen Grund, davon auszugehen, dass mentale Gesundheit die jüdische Gemeinschaft minder beträfe.

Wir Juden und Jüdinnen sind so gut im kollektiven Leiden. Die jüdische Tradition zwingt uns, des kollektiven Schmerzes und Schicksals des Volkes zu gedenken und daraus Lehren zu ziehen. Doch bei mentaler Gesundheit, individuellem Leid machen wir aus unbekannten Gründen halt.

Es ist an der Zeit, auch heutigen individuellen Schmerz kollektiv zu denken, zum einen, weil wir längst wissen, wie verbreitet das Problem ist, zum anderen, weil wir uns sensiblen und schwierigen Themen gemeinschaftlich annähern müssen. 

INITIATIVE Aus diesem Bedürfnis heraus ist die Initiative »What’s Up? Lasst uns über uns reden!« entstanden. Ziel ist es, sich auf den Kern der aktuellen Erlebnisse der Studierenden zu berufen. Fakt ist, dass niemand in Zeiten einer Pandemie produktiv sein muss. Es ist in Ordnung, die Familie zu vermissen und sich hilflos zu fühlen.

Fakt ist, dass niemand in Zeiten einer Pandemie produktiv sein muss. Es ist in Ordnung, die Familie zu vermissen und sich hilflos zu fühlen.

Dieses Bild findet sich nicht in den sozialen Medien, die uns unter Druck setzen mit kochenden, lesenden, Sport treibenden und sich sonnenden Menschen. Doch die Weisen lehren uns im Talmud (Traktat Sanhedrin) den Satz »Kol Israel Arevim Zeh La Zeh« (Das ganze Volk Israel ist füreinander verantwortlich).

Deshalb haben wir mehr als 100 Aktive und Bekannte kontaktiert, die den Kern der JSUD ausmachen. In persönlichen Telefonaten wurde ein aktuelles Stimmungsbild geschaffen. Dabei standen die verschiedenen Lebensrealitäten, die aktuelle Situation und konkrete Hilfsangebote im Mittelpunkt. Danach starteten wir in Kooperation mit OFEK eine Sensibilisierungs- und Bildungskampagne.

OFEK Abgerundet wurde sie mit einem Webinar mit Marina Chernivsky, Psychologin und Geschäftsführerin von OFEK Beratungsstelle bei antisemitischer Gewalt und Diskriminierung e.V., in dem es um die konkrete Unterstützung Studierender ging. Der Bedarf an psychologischer Unterstützung soll enttabuisiert werden, um womöglich häufiger auch von Studierenden in Anspruch genommen zu werden.

Gerade in Zeiten von Corona, aber auch darüber hinaus ist es entscheidend, über seelisches Wohlbefinden zu sprechen. Wir glauben fest daran, dass Austausch hilft, das eigene Befinden zu reflektieren, und Ansporn gibt, Hilfe zuzulassen und sich selbst zu helfen. Es gilt, niemanden zu vergessen und allen, besonders jetzt, ein zuverlässiges, herzliches und solidarisches Support-System zu bieten. 

Die Autoren sind Mitglied im Vorstand der JSUD (Jüdische Studierendenunion Deutschland).

USA

Hitlergruß: Nach Musk nun Bannon?

Steve Bannon, einst Chefideologe von Donald Trump, hat bei einer Rede vor rechten Aktivisten eine umstrittene Geste gezeigt

von Michael Thaidigsmann  21.02.2025

Berlin

»Welt«-Gruppe gedenkt der Bibas-Familie

»All jene, die in Deutschland den Islamismus verharmlosen oder relativieren, sollten in die Gesichter der Bibas Kinder sehen«, betont »Welt«-Chefredakteur Jan Philipp Burgard

 21.02.2025

Interview

Haben Sie genug für Israel und für Juden in Deutschland getan, Herr Bundeskanzler?

Olaf Scholz (SPD) über die deutsche Staatsräson, seine Grünen-Koalitionspartner und die Bilanz der Ampel-Regierung bei jüdischen Themen

von Mascha Malburg, Philipp Peyman Engel  21.02.2025

Katrin Richter

Demokratie statt Lethargie

Wer nicht wählt, muss mit dem leben, was dann dabei herauskommt

von Katrin Richter  21.02.2025

Berlinale

»Das verdient kein öffentliches Geld«

Der Berliner CDU-Fraktionschef Dirk Stettner hat seine Karte für die Abschlussgala zerrissen – und will die Förderung für das Filmfestival streichen

von Ayala Goldmann  21.02.2025

Demoskopie

Abstimmung gegen Antisemitismus?

So wahlentscheidend sind jüdische Themen

von Michael Thaidigsmann  20.02.2025

Berlin

KZ-Gedenkstätten: Wählen gehen für die Demokratie

Rutscht die Gesellschaft weiter nach Rechts? Die Arbeitsgemeinschaft der KZ-Gedenkstätten sieht die Bundestagswahl als Chance, diesen Trend zu stoppen

 20.02.2025

Igor Mitchnik

Europa muss sich hinter die Ukraine stellen

Trump denkt nicht transatlantisch, sondern transaktional

von Igor Mitchnik  20.02.2025

WHO

Polio-Impfkampagne im Gazastreifen geht weiter

Weil das Poliovirus wieder in Abwasserproben nachgewiesen wurde, sollen in Gaza erneut etliche Mädchen und Jungen gegen Kinderlähmung geimpft werden. Start der Kampagne ist bereits in wenigen Tagen.

 19.02.2025