25.000 Juden konnten sich durch ihre Flucht nach China vor dem Holocaust retten. An die gemeinsam durchlittene Wirklichkeit dieser einzigartigen Rettungsaktion sollen im Rahmen der Ausstellung »Jüdische Flüchtlinge und Shanghai« 200 beeindruckende Fotografien und historische Zeugnisse erinnern.
»Chinesische Bürger nahmen die Immigranten ohne Wenn und Aber auf. Das war damals in der Welt auf keinen Fall selbstverständlich gewesen. Wir Deutsche müssen uns für die Rettung unserer Mitbürger bei den Chinesen bedanken«, sagte der ehemalige deutsche Generalkonsul von Shanghai, Albrecht von der Heyden, bei seiner Begrüßungsrede der Eröffnungsgala im Chinesischen Kulturzentrum in Berlin.
Flüchtlingswelle Tatsächlich bildete die etwa 8.400 km lange Strecke von Deutschland nach Shanghai, verglichen mit den wenigen anderen Optionen, den deutlich kürzesten Fluchtweg aus dem hoffnungslosen Europa in das trostreiche Exil, denn China verlangte als einziges Land für die Einreise weder ein Visum noch besonders hohen finanziellen Aufwand oder exklusive Beziehungen. Dennoch konnten die Chinesen Ende der 30er-Jahre, als die erste Flüchtlingswelle im Hafen von Shanghai ankam, noch nicht ahnen, dass mehr als die Gesamtzahl der jüdischen Flüchtlinge in Kanada, Australien, Neuseeland und Indien in ihr Land strömen würde.
Obwohl die Bevölkerung Chinas während des Zweiten Weltkriegs selbst stark unter den erbärmlichen ökonomischen und medizinischen Bedingungen zu leiden hatte, richtete sich ihr Ärger niemals gegen die so zahlreich aus Nazi-Deutschland erschienenen Gäste: »Wir Chinesen sind ein sehr gastfreundliches Volk«, erklärt Stephen Zhang, einer der Kuratoren der Berliner Ausstellung. »Sogar unter solch extremen Umständen wie dem Zweiten Weltkrieg haben wir uns stets um die Freundschaft mit den Immigranten bemüht.«
Chinas Respekt gegenüber den Juden offenbart sich immer wieder in Form von vielsagenden Kleinigkeiten wie etwa der Tatsache, dass die Eröffnung der Vernissage am vergangenen Freitag von den Veranstaltern aufgrund des frühen Schabbatbeginns um zwei Stunden nach vorne verschoben wurde, damit auch gläubige Gäste ihrer Einladung folgen konnten.
»Shanghai-Babys« Auch die in Shanghai geborene Autorin Sonja Mühlberger betont: »Nie haben wir vonseiten der Chinesen Antisemitismus oder offene Anfeindungen erfahren. Obwohl sie selbst wenig besaßen, haben sie uns nicht aus ihrem Land verjagt.« Insgesamt wurden zwischen 1939 und 1947 rund 500 von jüdischen Exilanten geborene »Shanghai-Babys« registriert. Knappe 70 Jahre später sind diese Menschen dem Ort, der ihnen ein vorübergehendes Zuhause gewährte, noch immer stark verbunden.
Zum Gedenken an ihre Rettung gründeten sie mehrere Gesellschaften wie etwa die »Association of Former Residents of China in Tel Aviv« und unterstützten das Jewish Refugees Museum mit persönlichen Geschichten und historisch wertvollen Materialien. Bis heute reisen sie in Begleitung ihrer Kinder und Enkel nach Shanghai, um dort gemeinsam die Wurzeln ihrer Familien wiederzuentdecken und sich bei den Chinesen für ihre Rettung zu bedanken.
Ghetto Inmitten der verstaubten Häuser des ärmlichen Stadtbezirks Hongkou, wo die Exilanten 1941 unter japanischer Besatzung auf nur einem Quadratkilometer in einem für sie eingerichteten Ghetto kaserniert wurden, gibt es mittlerweile kaum noch Überbleibsel. Auch im chinesischen Volksbewusstsein scheint die Erinnerung an die nationale Heldentat verstaubt zu sein.
Zwar existiert in Shanghai ein renommiertes Zentrum für Jüdische Studien und überhaupt hat das Thema seit Anfang der 90er-Jahre in Forschungskreisen wieder an Aktualität gewonnen, doch bildet es nur ein Randgebiet im Schulunterricht und gehört nicht zum Allgemeinwissen vieler Bürger. Deshalb versucht die Gedenkstätte für jüdische Flüchtlinge mit ihren inländischen Projekten vor allem Schüler und Studenten anzusprechen.
Die Museumsleiter setzten sich bei der Stadt- und Bezirksverwaltung dafür ein, dass dem ehemaligen Ghetto Denkmalschutz gewährt wurde, denn es liegt ihnen viel daran, Zeugnis von der Rettung der jüdischen Flüchtlinge von Shanghai abzulegen. Diese Hilfeleistung beweist, dass die Geschichte auch in ihren dunkelsten Ecken Lichtblicke beherbergen kann.
»Jüdische Flüchtlinge und Shanghai«, bis zum 7. September im Chinesischen Kulturzentrum Berlin, Klingelhöferstraße 21, Mo-Fr 9-12 und 14-18 Uhr
www.c-k-b.eu