Grossbritannien

Labours Irrfahrt

Schirmherr der britischen Palästina-Solidarität mit antizionistischen Ansichten: Labour-Chef Jeremy Corbyn Foto: Getty Images

Arthur James Balfour war britischer Außenminister, das damalige Palästina britisches Mandatsgebiet, und entsprechend feierte Großbritannien am vergangenen Donnerstag mit 160 Veranstaltungen den 100. Jahrestag der Balfour-Erklärung vom 2. November 1917. Sie beinhaltete immerhin nicht weniger als die Anerkennung einer jüdischen Heimstatt. Die Balfour-Erklärung gilt als legales Fundament der späteren Staatsgründung Israels.

Also gab es unter anderem eine große Feier in der Londoner Royal Albert Hall, einen Ehrenvortrag des britisch-jüdischen Historikers Simon Schama und einen Gottesdienst in der Bevis-Marks-Synagoge.

Allerdings blieben die Feierlichkeiten nicht ohne politische Kontroversen. Jeremy Corbyn, Vorsitzender der oppositionellen Labour-Partei, sagte die Einladung zu einem gemeinsamen Jubiläumsdinner in London zusammen mit Premierministerin Theresa May und dem israelischen Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu ab. Seine Abwesenheit verstanden Kritiker als das neueste Kapitel in Corbyns fragwürdiger Haltung zu Israel. Und damit auch als Hinweis, wie sich die traditionsreiche Partei gegenüber Juden und Israel positioniert.

skandale Immer wieder hatte es in den vergangenen Jahren bei Labour Antisemitismusskandale gegeben. Sogar eine Parteiikone wie der frühere Londoner Bürgermeister Ken Livingstone, ein Vertrauter Corbyns, musste suspendiert werden – er hatte behauptet, Adolf Hitler hätte den Zionismus unterstützt.

Israels Botschafter in London, Mark Regev, kommentierte Corbyns Absage des Dinners dahingehend, dass jene, die sich gegen Balfour stellten, nahe bei den Ideologien von Hisbollah und Hamas stünden – ein mehr als deutlicher Hinweis auf Corbyns Kontakte zu diesen islamistischen Organisationen. Als langjähriger Schirmherr der britischen Palästina-Solidarität ist Corbyn in Fragen des Nahostkonflikts erkennbar befangen.

Deswegen schickte er zum Galadinner die Außenministerin von Labours Schattenkabinett, Emily Thornberry. Die ist nämlich zum einen Mitglied des Parteifreundeskreises mit Israel, zum anderen auch des mit Palästina. Aus Labour-Sicht ist das neutral. Gleichwohl sagte Thornberry im Parlament, dass ihr Parteichef sowohl Israel als auch einen palästinensischen Staat anerkenne – man könne Corbyn daher als Zionisten bezeichnen. Was Thornberry nicht sagte: Nach der jüngsten Äußerung Corbyns zu dem Thema ist er nur bereit, Israels Existenz in den Grenzen des UN-Teilungsplans von 1948 anzuerkennen.

Doch auch die vermeintlich ausgewogene Haltung Thornberrys klang plötzlich sehr einseitig, als sie sagte, Großbritannien solle die Balfour-Erklärung nicht feiern, sondern lediglich darauf verweisen, dass man lieber zugleich die Anerkennung eines palästinensischen Staates feiern möchte. Das waren Worte, die sehr nahe an denen des Palästinenserpräsidenten Mahmud Abbas lagen, der im »Guardian« gefordert hatte, Feierlichkeiten müssten so lange warten, bis alle im Land Freiheit, Würde und Gleichberechtigung erhielten. Palästinensische Vertreter hatten im Verlaufe des Jahres wiederholt von Großbritannien eine Entschuldigung für die Balfour-Erklärung gefordert.

Labour forderte dann in einer Parlamentsdebatte tatsächlich die britische Anerkennung eines palästinensischen Staates. Außenminister Boris Johnson lehnte dies kategorisch ab, der Moment dazu sei noch nicht gekommen, denn das würde weder die Besatzung beenden noch den Frieden näherbringen. Labour kann mit seinen Versuchen, eine eigene Nahostpolitik zu betreiben, bislang keine Erfolge vorweisen.

torys Das unterscheidet die Arbeiterpartei von den Konservativen der angeschlagenen Ministerpräsidentin Theresa May. Bei dem Dinner, an dem nicht nur Benjamin Netanjahu und Emily Thornberry teilnahmen, sondern auch der britische Oberrabbiner Ephraim Mirvis, der Erzbischof der anglikanischen Kirche, Justin Welby, sowie der ehemalige US-Außenminister John Kerry, sagte sie: »Großbritannien ist stolz auf die Rolle, die wir bei der Schaffung Israels spielten, und stolz, Israels Partner zu sein.« Zugleich pries sie Israels wissenschaftliche, gesundheitliche und agrarwirtschaftliche Fortschritte und verteidigte das Recht des jüdischen Staates auf Selbstverteidigung.

Vor den Feierlichkeiten hatte May betont, dass man sich »der Empfindlichkeiten bewusst sein« müsse, die einige Akteure bezüglich der Balfour-Erklärung hätten. Daher glaube die britische Regierung weiter an eine Zweistaatenlösung.

Netanjahu dankte Großbritannien, denn ohne die Balfour-Erklärung wäre der israelische Staat nie entstanden. »Ein staatenloses und machtloses Volk fand so seinen Platz unter den Nationen.«

verschwiegen Dass die Nahostpolitik der konservativen Regierung so ganz bruchlos wäre, kann man auch nicht sagen. Erst am Montag wurde die Entwicklungsministerin Priti Patel – sie gilt parteiintern als Konkurrentin Mays – offiziell verwarnt: Sie hatte nämlich eine Israelreise nicht, wie es das Protokoll vorschreibt, im Voraus angekündigt, sondern dem Kabinett verschwiegen.

Dabei war das kein privater Sommerurlaub gewesen, sondern sie führte Gespräche etwa mit dem Sicherheitsminister Gilad Erdan, dem früheren Finanzminister Yair Lapid und einem Vertreter des Außenministeriums. Warum Patel eine Nebenaußenpolitik parallel zu May betreibt, lässt sich freilich nicht sagen.

Am Mittwoch (nach Redaktionsschluss) wurde bekannt, dass Entwicklungshilfeministerin Priti Patel zurückgetreten ist.

USA

Wer Jude ist, bestimmt nun er

Donald Trump wird immer mehr wie der berühmt-berüchtigte Wiener Bürgermeister Karl Lueger

von Michael Thaidigsmann  16.03.2025 Aktualisiert

Analyse

Die Umdeutler

Die AfD will die deutsche Geschichte verfälschen. Künftig kann sie ihr Ziel noch konsequenter verfolgen

von Sebastian Beer  16.03.2025

In eigener Sache

Warum es uns besonders wichtig ist, mit einer Sonderausgabe an Kfir, Ariel und Shiri Bibas zu erinnern

Ein Editorial von JA-Chefredakteur Philipp Peyman Engel

von Philipp Peyman Engel  16.03.2025 Aktualisiert

Berlin

Joschka Fischer nennt mögliche Verhaftung Netanjahus »absurd«

Der frühere Außenminister stimmt CDU-Chef Friedrich Merz zu: Der israelische Ministerpräsident müsse Deutschland unbehelligt besuchen können

von Imanuel Marcus  16.03.2025

Berlin

Staatsanwaltschaft: Deutlich mehr antisemitische Straftaten

Im vergangenen Jahr wurden 756 Fälle registriert

 16.03.2025

Brüssel

Früherer EJC-Chef Kantor von EU-Sanktionsliste gestrichen

Die Streichung des russisch-britischen Geschäftsmanns erfolgte offenbar auf Druck der ungarischen Regierung

 14.03.2025

New York

Im Trump Tower: Demo gegen Abschiebung eines Israelfeindes

Die USA wollen einen israelfeindlichen Aktivisten abschieben. Noch gab es kein Gerichtsverfahren, das Weiße Haus sieht sich im Recht. Jetzt gab es Protest – an einem symbolträchtigen Ort

 14.03.2025

Solidarität

»Wir haben Potter als einen mutigen Journalisten kennengelernt«

Der Journalist Nicholas Potter ist seit Wochen das Ziel einer Rufmordkampagne, initiiert von einem dubiosen Propaganda-Portal und befeuert von antiisraelischen Aktivisten. Jetzt äußert sich der Zentralrat der Juden

von Nils Kottmann  14.03.2025 Aktualisiert

Sachsen-Anhalt

Polizei verhindert möglichen Anschlag auf Synagoge Halle

Der Tatverdächtige soll bereits eine Waffe besorgt und im Internet mit seinem Plan geprahlt haben

 13.03.2025 Aktualisiert