In der Ukraine ist an das von deutschen Truppen verübte Massaker an den Kiewer Juden in Babyn Jar im Jahr 1941 erinnert worden. »Es schien so, als ob diese Schrecken für immer in der Vergangenheit blieben«, schrieb Regierungschef Denys Schmyhal am Donnerstag im Nachrichtendienst Telegram.
Doch Erschießungen und Massengräber in der Ukraine wiederholten sich nach 81 Jahren, schrieb er mit Blick auf den seit mehr als sieben Monaten andauernden russischen Angriffskrieg gegen sein Land. »Diejenigen, die den Völkermord 1941 anrichteten und diejenigen, die den Völkermord 2022 verüben, sind diesselben Verbrecher, deren Weg nur zu einem internationalen Tribunal führt«, so der 46-Jährige.
Am 29. und 30. September 1941 wurden in der Schlucht von Babyn Jar 33.000 jüdische Kiewer von erschossen.
Am 29. und 30. September 1941 wurden in der Schlucht von Babyn Jar am damaligen Stadtrand von Kiew mehr als 33.000 jüdische Kiewer von den deutschen Besatzern erschossen und verscharrt. Es gilt als das größte Einzelmassaker im Rahmen des »Holocausts durch Kugeln«. Bis zur Befreiung der Stadt im November 1943 wurden Schätzungen zufolge bis zu 200.000 Menschen allein in Babyn Jar ermordet.
Nach dem russischen Überfall auf die Ukraine vom 24. Februar haben die Vereinten Nationen knapp 6000 getötete Zivilisten registriert. Die Organisation geht dabei jedoch ähnlich wie die Ukraine von höheren Opferzahlen aus. Kiew wirft Moskau Völkermordabsichten vor.
Erbe Derweil sieht das Bundesarchiv wegen der Entwicklung in der Ukraine das kulturelle Erbe im Kriegsgebiet massiv bedroht. »Gerade die Archive der Ukraine sind das kulturelle Gedächtnis des Landes. Sie erst machen Erinnerung und Identitätsbildung möglich«, sagte Archiv-Präsident Michael Hollmann am Donnerstag in Berlin. »Sie
müssen deshalb als Stützen eines souveränen und unabhängigen Landes geschützt und erhalten bleiben.«
Hollmann warnte angesichts der Scheinreferenden in den von Russland besetzten Gebieten der Süd- und Ostukraine vor einer zunehmenden Bedrohung. Insbesondere wies er auf die Gefahr für Archive hin, die sich mit dem Gedenken an Holocaust und jüdisches Leben in der Region beschäftigen. »Russland bringt im Zuge einer vorgeblichen Entnazifizierung in der Ukraine ausgerechnet Gedenkorte an den Holocaust in Gefahr. Das ist ein trauriges Beispiel dafür, wie Geschichte für Propagandazwecke missbraucht wird.«
Mehrere Gebäude des Holocaust-Gedenkorts »Babyn Yar« sind durch den russischen Überfall stark in Mitleidenschaft gezogen worden.
Das Bundesarchiv ist Kooperationspartner des »Babyn Yar Holocaust
Memorial Center« (BYHMC). In einer 2021 abgeschlossenen Vereinbarung geht es vor allem um die Anfertigung und Weiternutzung digitaler Reproduktionen von Unterlagen des Bundesarchivs mit Bezug zum Holocaust auf dem Gebiet der heutigen Ukraine.
Mehrere für den Holocaust-Gedenkort »Babyn Yar« vorgesehene Gebäude sind durch den russischen Überfall stark in Mitleidenschaft gezogen worden. »Nach Medienberichten waren in den vergangenen Monaten bereits ukrainische Archive durch russische Angriffe beschädigt oder
zerstört worden, darunter auch das Staatsarchiv in Charkiw«, so das Bundesarchiv in seiner Mitteilung vom Donnerstag. dpa