Antisemitismus

Kritik an Polizeistatistik

Hisbollah-Anhänger schwenken beim Berliner Al-Quds-Tag 2015 Fahnen der Organisation. Foto: imago/Christian Mang

In der Polizeistatistik über antisemitische Straftaten in Berlin ist die Zuordnung zu Tätergruppen unscharf und wenig präzise. Das geht aus einer bisher nicht veröffentlichten Antwort des Senats auf eine Anfrage der FDP hervor. Viele Fälle würden Rechtsextremisten zugeordnet, ohne dass es konkrete Anhaltspunkte dafür gebe.

Die Zahlen der Polizei stellen sich nach der aktuellen Auskunft des Senats wie folgt dar: In ihrer Kriminalstatistik 2018 ordnete die Polizei 253 der 324 Fälle der Kategorie rechtsextreme Motivation zu. Weitere Motive waren ausländische Ideologie (49 Fälle), religiöse Ideologie (12 Fälle) und Linksextremismus (7 Fälle). Nur dreimal hieß es: nicht zuzuordnen.

»Sieg Heil«-Rufe von Arabern werden als politisch motivierte Kriminalität mit rechtsextremem Hintergrund gewertet.

DEBATTE In der aktuellen Anfrage ging es nun um die Zahl der antisemitischen Fälle ohne erkennbare rechtsextreme Motive. Das waren laut Senat 191. So bleiben nur 133 Taten mit klaren rechtsextremen Motiven übrig – obwohl in der Kriminalstatistik 253 Fälle dazu stehen. Für die Differenz von 120 Taten sind keine Motive bekannt – trotzdem gilt die Kategorie »rechts«. In den vergangenen Jahren hatte es bereits eine Debatte über die Zuordnung gegeben.

Bei Umfragen unter Juden in Deutschland, die Opfer von antisemitischen Taten wurden, wurden demnach bei 62 Prozent der Beleidigungen und 81 Prozent der körperlichen Angriffe muslimische Personen als mutmaßliche Täter angegeben. Dennoch seien etwa »Sieg Heil«-Rufe bei einer antisemitischen Al-Kuds-Demonstration im Juli 2014 in Berlin in der Polizeistatistik als politisch motivierte Kriminalität mit rechtsextremen Motiven gewertet worden.

Unter Experten herrschen Zweifel hinsichtlich der Klassifizierung von Taten als »rechtsextremistisch motiviert«. So würden »Juden raus«-Schmierereien in Statistiken generell als rechtsextrem ausgewiesen, obwohl diese Parole auch in islamistischen Kreisen populär sei. »Damit entsteht möglicherweise ein nach rechts verzerrtes Bild über die Tatmotivation und den Täterkreis«, hieß es dazu etwa in einem im Jahr 2017 veröffentlichten Bericht des Unabhängigen Expertenkreises Antisemitismus.

Betroffene Juden geben an, dass 81 Prozent der körperlichen Angriffe auf Muslime zurück gehen.

ÜBERPRÜFUNG Benjamin Steinitz, Leiter der Recherche- und Informationsstelle Antisemitismus in Berlin, betont: »Es gibt eine Diskrepanz zwischen der Wahrnehmung der Betroffenen von antisemitischen Angriffen, Beleidigungen und Beschimpfungen und den polizeilichen Statistiken.« Der Grünen-Politiker Beck betonte, die Politik brauche »endlich eine klare Kante gegen Antisemitismus in all seinen Formen«. Die Bundesregierung sei in der Pflicht, diesen »Kampf mit einem eigens dafür eingerichteten Beauftragten besser zu koordinieren«.

Dafür sprach sich jüngst auch der Antisemitismusbeauftragte der Bundesregierung, Felix Klein, in einem Interview mit dieser Zeitung aus. »Aus den jüdischen Gemeinden höre ich, dass die subjektive Wahrnehmung der Bedrohung durch muslimisch geprägten Antisemitismus größer ist, als es in der Kriminalstatistik zum Ausdruck kommt.« Die Zuordnung von Delikt und Täter sei häufig fragwürdig. Deshalb müsse die Kriminalstatistik dringend überprüft werden.  ja/kna/epd

Berlin

»Ein Tiefpunkt«: Zentralrat der Juden übt scharfe Kritik am deutschen Einsatz für Geiseln

Mahnende Worte, ausbleibende Reaktionen, ein Tiefpunkt: Josef Schuster wirft der deutschen Außenpolitik mangelndes Engagement für Hamas-Geiseln vor

von Karin Wollschläger  25.03.2025

New York

Eli Sharabi: »Sie hatten Freude an unserem Leiden«

»Wenn ihr für Menschlichkeit steht, beweist es. Bringt sie nach Hause«, sagte Eli Sharabi vor der UNO. Wir dokumentieren den vollständigen Wortlaut seiner Rede

 25.03.2025

Nahost

Hunderte Palästinenser in Gaza demonstrieren gegen den Krieg

»Hamas raus!«: Nach Angaben von Augenzeugen wurde auch ein Ende der Hamas-Herrschaft gefordert

 25.03.2025

Julia Klöckner

»Keine Form des Antisemitismus darf salonfähig werden«

Die CDU-Politikerin ist zur Bundestagspräsidentin gewählt worden. In ihrer Rede ruft sie zu mehr Solidarität mit Israel und zu entschiedenem Eintreten gegen Judenhass auf

 25.03.2025

Westjordanland

»No other Land«-Macher Hamdan Ballal wieder frei

Laut israelischer Armee steht er unter Verdacht, Steine auf Soldaten geworfen zu haben

 25.03.2025

Bildung

Förderung für zehn Projekte zu NS-Verbrechen

Die geförderten Projekte verteilen sich auf mehrere Bundesländer

 25.03.2025

Gregor Gysi

»Ja, da müssen Sie jetzt noch durch«

Bei der Konstituierung des neuen Bundestags hielt der Linken-Politiker eine Rede, in der er fast nichts ausließ – auch nicht den Nahostkonflikt

von Michael Thaidigsmann  25.03.2025

Washington D.C.

Bericht über Gruppenchat von Trump-Ministern schlägt Wellen

Vertraute des US-Präsidenten beraten via Handy-App über einen Militärangriff und ein Journalist kann all das live mitverfolgen. Die Demokraten unter Minderheitenführer Chuck Schumer sind empört

 25.03.2025

Analyse

Die Umdeutler

Die AfD will die deutsche Geschichte verfälschen. Künftig kann sie ihr Ziel noch konsequenter verfolgen

von Sebastian Beer  25.03.2025 Aktualisiert