Herr Fürst, in der Auseinandersetzung über ein Seminar der Hildesheimer Hochschule für angewandte Wissenschaft und Kunst (HAWK) wurden Sie jüngst um Problemlösung gebeten. Wie kam der Landesverband der Jüdischen Gemeinden von Niedersachsen zu dieser Aufgabe?
Ich bin seit 36 Jahren Vorsitzender des Landesverbandes. Da bleibt es nicht aus, dass mein Name bekannt ist und meine Stimme Gewicht hat. Von dem Vorgang an der HAWK hatte ich erst relativ spät erfahren. Als ich davon hörte, fragte ich sofort die Hochschule und das Wissenschaftsministerium, was da wirklich passiert war. Mein Eindruck war nämlich, dass man den Konflikt hätte eleganter lösen können.
Wie haben HAWK und Ministerium auf Ihre Anfrage reagiert?
Die Ministerin, Gabriele Heinen-Kljajic, hat mich sofort zu einem Gespräch eingeladen, an dem auch die HAWK-Präsidentin Christiane Dienel teilnahm. Mit mir kam Yazid Shammout, der Vorsitzende der palästinensischen Gemeinde in Hannover. Wir kennen uns schon sehr lange und sind befreundet. Die jüdische und die palästinensische Gemeinde kooperieren auch gut miteinander.
Mit welchem Ziel sind Sie und Herr Shammout zu dem Gespräch gegangen?
Salopp gesagt: Wir wollten die heiße Luft rauslassen. Inwieweit der Vorwurf des Antisemitismus berechtigt ist, können wir nicht sagen, weil wir beide nicht in dem Seminar waren. Herr Shammout hat mit der umstrittenen Dozentin, Frau Köhler, gesprochen. Er berichtete mir, sie sei in hohem Maße bestürzt, dass man ihr Antisemitismus vorwirft. Zugleich sei aber das Seminar, das sie angeboten hat, höchst einseitig gewesen – hart an der Grenze dessen, was man noch als legitime Kritik an Israel bezeichnen kann.
Die Seminarinhalte werden nun auch vom Zentrum für Antisemitismusforschung der TU Berlin geprüft.
Ja, und wenn das Gutachten da ist, werden wir uns wieder bei der Ministerin treffen und gemeinsam überlegen, wie es weitergeht. Unsere Überlegungen gehen in Richtung einer Ringvorlesung zum Nahostkonflikt. Da wird es völlig okay sein, wenn jemand einseitige Ansichten verbreitet.
Seitens der Hochschule wurde ja auch der Vorwurf erhoben, dass die Freiheit der Lehre infrage gestellt worden sei.
Dieser Vorwurf kam von der Fakultät, nicht von der Präsidentin der HAWK. Aber dass das Seminar, das da »Zur sozialen Lage der Jugendlichen in Palästina« angeboten wurde, in hohem Maße unwissenschaftlich war, daran besteht kein Zweifel.
Die Unwissenschaftlichkeit ist das Problem, nicht die Ausrichtung?
Meine Haltung ist: Kritik an Israel ist möglich und muss möglich sein, Antisemitismus darf es nicht geben. Nicht jede Kritik an Israel ist antisemitisch.
Mit dem Vorsitzenden des Landesverbandes der Jüdischen Gemeinden von Niedersachsen sprach Martin Krauß.