Der bärtige Scheich auf der Leinwand wirkt nervös. Der libanesische Premierminister Saad Hariri habe ihn persönlich darüber informiert, dass das Tribunal in Den Haag »einige undisziplinierte Mitglieder der Hisbollah« anklagen werde, sagt Hassan Nasrallah, Chef der schiitischen »Partei Gottes«. Damit gehe der Libanon einer »ganz kritischen Phase« entgegen. »Wir aber haben keine Angst und wissen uns zu verteidigen« – eine kaum verhüllte Drohung, notfalls wieder zu den Waffen zu greifen.
tribunal Seit dem ungewöhnlichen Presseauftritt per Videoverbindung aus seinem Versteck heraus machte Nasrallahs brisante Nachricht in Beirut die Runde. Bis Dezember will das »Sondertribunal für den Libanon« die Anklagen für den Mord an Ex-Premier Rafik Hariri 2005 in Beirut auf den Tisch legen. In dem fragilen Zedernstaat könnten die Namen der Beschuldigten neue Turbulenzen auslösen. Libanons Präsident Michel Suleiman rief eilends die politischen Führer seines Landes zusammen. Premierminister Saad Hariri, der Sohn von Rafik, beschwor am Wochenende die Bevölkerung eindringlich, Ruhe zu bewahren.
Nach dem Megaanschlag auf seinen Vater Rafik Hariri am 14. Februar 2005 galt Syrien zunächst als Hauptverdächtiger, auch wenn Damaskus die Vorwürfe stets zurückwies. Erstmals im Sommer 2006 berichtete dann die französische Zeitung Le Figaro, die Ermittler zögen auch eine Täterschaft der Hisbollah in Betracht. Im Mai 2009, kurz vor den libanesischen Parlamentswahlen, legte das Magazin Der Spiegel mit einer Dokumentation nach. Jedes Mal bestritt die Hisbollah vehement irgendeine Verwicklung, sprach von bösartigen Verleumdungen und beschimpfte den Gerichtshof als »israelisches Projekt«. Doch die Fahnder in Den Haag ließen sich nicht beirren. Im Frühjahr verhörten sie ein erstes Dutzend Hisbollah-Kämpfer. Mitte September nach Ende des Ramadan soll eine zweite Serie von Vernehmungen folgen.
Denn nach Angaben von Le Figaro und Spiegel war es libanesischen Spezialermittlern gelungen, aus Millionen von Handydaten zwei Ringe von verdächtigen Mobiltelefonen herauszufiltern. Acht Handys, intern auch »der erste Kreis der Hölle« genannt, seien in den Tagen vor dem Anschlag sowie am Tattag stets in der Nähe Hariris verwendet und danach nie wieder benutzt worden. Sie gehörten offenbar den direkten Bombenlegern. Der »zweite Kreis« von Hintermännern bestand laut Spiegel aus 20 Handys, die auffallend häufig in der Nähe des ersten Mobilrings geortet werden konnten.
privatgespräch Auf die Spur der Hisbollah kamen die Fahnder nur, weil sie einen Täter identifizieren konnten, der von seinem Telefon aus, das auch beim Attentat genutzt wurde, ein einziges privates Gespräch mit seiner Freundin geführt hatte. Seine Identität führte dann laut Spiegel zum angeblichen Drahtzieher des Hariri-Mordes, dem Hisbollah-Kommandeur Hajj Salim, der direkt an Scheich Nasrallah und den iranischen General der Revolutionären Garden, Kassim Sulaimani, berichtete. Der findige libanesische Polizeioffizier hat seinen Spürsinn inzwischen mit dem Leben bezahlt. Im Januar 2008 kam er bei einem Anschlag ums Leben – ausgeführt von einem Terrorkommando der Hisbollah.