Stephan Brandner

Kostet antisemitische Äußerung Politiker das Amt?

Foto: dpa

Der Vorsitzende des Bundestags-Rechtsausschusses, der AfD-Politiker Stephan Brandner, hat die Verleihung des Bundesverdienstkreuzes an Udo Lindenberg als einen »Judaslohn« verunglimpft - nun fordern Union, SPD, Linke, Grüne und FDP im Bundestag einhellig seinen Rücktritt.

Der stellvertretende rechtspolitische Sprecher von CDU/CSU, Jan-Marco Luczak, sprach von einer neuerlichen, ungeheuerlichen Entgleisung Brandners. »Er spielt ganz bewusst mit antisemitischen Begriffen, er grenzt aus und schürt Ressentiments«, erklärte er am Samstag.

Brandner hatte über den 73-jährigen Lindenberg auf Twitter geschrieben: »Klar, warum der gegen uns sabbert/ sabbern muß«, dann erwähnt er das Anfang Oktober verliehene Bundesverdienstkreuz. Darunter setzte Brandner das Wort »Judaslohn«. Brandner reagiert damit auf eine scharfe Abrechnung Lindenbergs mit der AfD nach deren Wahlerfolg bei der Landtagswahl in Thüringen.

Externer Inhalt

An dieser Stelle finden Sie einen externen Inhalt, der den Artikel anreichert. Wir benötigen Ihre Zustimmung, bevor Sie Inhalte von Sozialen Netzwerken ansehen und mit diesen interagieren können.

Mit dem Betätigen der Schaltfläche erklären Sie sich damit einverstanden, dass Ihnen Inhalte aus Sozialen Netzwerken angezeigt werden. Damit können personenbezogene Daten an Drittanbieter übermittelt werden. Dazu ist ggf. die Speicherung von Cookies auf Ihrem Gerät nötig. Mehr Informationen finden Sie hier.

Judaslohn nennt man eine Belohnung für einen Verrat. Die Redensart bezieht sich auf Judas, einen Jünger von Jesus, der nach allen vier Evangelien die Festnahme von Jesus in Jerusalem ermöglicht hat.

Der innen- und rechtspolitische Sprecher der CSU im Bundestag, Volker Ullrich, sagte dem »Handelsblatt«, Brandners Äußerungen seien »unverschämt, spielen mit antisemitischen Ressentiments und sind seiner Position schlicht unwürdig«. Brandner sei seiner Vorsitzendenposition nicht gewachsen. »Er sollte daraus Konsequenzen ziehen.«

Luczak schrieb, der Rechtsausschuss wache über Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und die Werte des Grundgesetzes. »Um das Amt des Vorsitzenden auszufüllen, bedarf es Würde und Anstand. Diese fehlen Brandner ganz offenbar.« Er sei in dieser Funktion untragbar und müsse zurücktreten.

Der rechtspolitische Sprecher der SPD-Fraktion, Johannes Fechner, brachte eine Abwahl Brandners ins Gespräch. Dem »Handelsblatt« sagte er: »Wir wollen die Frage der Abwahl von Ausschussvorsitzenden im zuständigen Geschäftsordnungsausschuss thematisieren.«

Externer Inhalt

An dieser Stelle finden Sie einen externen Inhalt, der den Artikel anreichert. Wir benötigen Ihre Zustimmung, bevor Sie Inhalte von Sozialen Netzwerken ansehen und mit diesen interagieren können.

Mit dem Betätigen der Schaltfläche erklären Sie sich damit einverstanden, dass Ihnen Inhalte aus Sozialen Netzwerken angezeigt werden. Damit können personenbezogene Daten an Drittanbieter übermittelt werden. Dazu ist ggf. die Speicherung von Cookies auf Ihrem Gerät nötig. Mehr Informationen finden Sie hier.

Der Plan einer Abwahl ist rechtlich nicht unproblematisch, denn in der Geschäftsordnung des Bundestags findet sich dazu keine ausdrückliche Regelung. In Paragraf 58 steht lediglich, dass die Ausschüsse ihre Vorsitzenden »bestimmen«. Nach Ansicht einiger Rechtswissenschaftler lässt sich im Umkehrschluss folgern, dass auch eine Abwahl möglich ist.

Die Parlamentarische Geschäftsführerin der Grünen-Fraktion, Britta Haßelmann, schloss sich der Kritik an. Sie schrieb auf Twitter: »Der Mann ist eines Rechtsausschussvorsitzenden unwürdig und in dieser Funktion untragbar.« Ihr FDP-Amtskollege Marco Buschmann warf Brandner dort vor, immer wieder mit antisemitischen Vorurteilen zu spielen. »Das ist einfach nur widerlich und eines Ausschussvorsitzenden des Deutschen Bundestages nicht würdig.«

Niema Movassat, verfassungspolitischer Sprecher Linken, wies darauf hin, dass seine Fraktion bereits Brandners Wahl zum Vorsitzenden abgelehnt habe. »Die demokratischen Fraktionen müssen diesem Spuk gemeinsam ein Ende setzen.«


Brandner wies auf Twitter dagegen daraufhin, dass auch Politiker anderer Parteien in Interviews und auch im Bundestag des Öfteren den Begriff »Judaslohn« benutzt haben.

Der Rockmusiker Lindenberg hatte das Verdienstkreuz Anfang Oktober bekommen. Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier sagte, er habe in einzigartiger Weise gegen die deutsche Teilung angesungen. Zudem lobte er dessen großes soziales Engagement.

Am Donnerstag hatte sich Lindenberg auf Facebook schockiert über das starke Abschneiden der AfD bei der Landtagswahl in Thüringen geäußert. »24 Prozent. Und viele sagen immer noch: Das wird sich niemals wiederholen - aber seht ihr denn nicht an den Häuserwänden die selben alten neuen Parolen? und die gleiche kalte Kotze (wie vor 80 jahren) schwappt ihnen wieder aus dem Mund...« Über den Spitzenkandidaten Björn Höcke schrieb Lindenberg: »Ein echter Fascho, auferstanden aus Ruinen und den Nazis zugewandt.«  thz

Thüringen

Rechtsextreme AfD zerrt Stephan Kramer vor Untersuchungsausschuss

Der Partei ist der Verfassungsschutzchef ein Dorn im Auge, weil sie in Thüringen als gesichert rechtsextremistisch gilt

 11.03.2025

In eigener Sache

Zachor!

Warum es uns besonders wichtig ist, mit einer Sonderausgabe an Kfir, Ariel und Shiri Bibas zu erinnern

von Philipp Peyman Engel  11.03.2025 Aktualisiert

Meinung

Die Gewalt in Syrien war absehbar

Während deutsche Nahost-Experten die islamistischen Machthaber in Damaskus noch als »gemäßigt« darstellten, häuften sich längst die Warnungen vor neuem Blutvergießen

von Ninve Ermagan  11.03.2025

Solidarität

»Wir haben Potter als einen mutigen Journalisten kennengelernt«

Der Journalist Nicholas Potter ist seit Wochen das Ziel einer Rufmordkampagne, initiiert von einem dubiosen Propaganda-Portal und befeuert von antiisraelischen Aktivisten. Jetzt äußert sich der Zentralrat der Juden

von Nils Kottmann  11.03.2025

Berlin

»Wir erwarten eine umfassende und zügige Aufklärung«

Seit dem Überfall der Hamas auf Israel am 7. Oktober 2023 häufen sich Angriffe auf die Presse nicht nur bei Nahost-Demos. Die jüngsten Attacken gab es am Samstag in Kreuzberg. Betroffen waren zwei jüdische Journalisten und ein Gewerkschafter

 11.03.2025

Meinung

Warum wir über Antisemitismus unter Syrern sprechen müssen

Immer wieder fallen syrische Geflüchtete mit antisemitischer Gewalt auf, zuletzt am Wochenende in München. Um solche Taten künftig zu verhindern, braucht es eine rationale Analyse statt trotziger Reflexe

 11.03.2025

Generalstaatsanwaltschaft München

Ermittlungen gegen Syrer nach Ausschreitungen vor Synagoge

Die drei Männer bespuckten Fotos von Hamas-Geiseln. Einer von ihnen attackierte einen Wachmann und zückte ein Messer

 11.03.2025

Syrien

Menschenrechtler warnen vor Völkermord in Syrien

Hunderte, vielleicht Tausende Alawiten sollen in Syrien von Islamisten ermordet worden sein. Die Gesellschaft für bedrohte Völker befürchtet einen Genozid. Damaskus verspricht die »Rückkehr zur Normalität«

von Christoph Schmidt  10.03.2025

Antisemitismus

Rabbiner Pinchas Goldschmidt zu Vorfall in München: »Abschieben! Noch heute!«

Drei junge Syrer randalierten am Samstag vor dem jüdischen Gemeindezentrum - in ersten Reaktionen forderten Rabbiner harte Konsequenzen

 10.03.2025