Der Intendant der Komischen Oper Berlin, Barrie Kosky, hat vor der Umbenennung von Straßen gewarnt, die nach Künstlern mit antisemitischem Hintergrund benannt sind. Kosky nannte die im Auftrag des Berliner Antisemitismusbeauftragten Samuel Salzborn erstellte Liste mit Straßennamen, die wegen antisemitischer Bezüge umzubenennen seien, in der »Berliner Zeitung« (Montag) gefährlich.
Es sei »grauenhaft, dass jemand im Deutschland des 21. Jahrhunderts Listen macht«, sagte Kosky: »Ich möchte nicht schon wieder von einem nichtjüdischen Mann hören, was antisemitisch ist.«
auseinandersetzung Der als Enkel jüdisch-polnischer und jüdisch-ungarischer Einwanderer in Australien geborene Kosky plädiert für eine kritische Auseinandersetzung wie im Fall des Dirigenten Karl Böhm. Der nach ihm benannte Saal in Salzburg trage neben dem Namensschild ein zweites mit einer historischen Einordung. Böhm ist wegen seiner Nazi-Vergangenheit umstritten.
»Die Kirchen haben mehr jüdisches Blut an den Händen als all die 300 Menschen auf der Liste zusammen.«
Barrie Kosky
»Wenn man Salzborns fragwürdigen Ansatz zu Ende denkt, müsste man eigentlich alle Kirchen schließen«, sagte Kosky, der seit der Spielzeit 2012/13 die Komische Oper leitet. Nach der Veröffentlichung einer Studie, die 290 Berliner Straßennamen mit antisemitischen Bezügen auflistet, wird über die Umbenennung von 100 Straßen diskutiert, darunter die Martin-Luther-Straße und der Richard-Wagner-Platz. Eine Umbenennung nutze niemandem, meint Kosky.
Wagner habe Juden in Deutschland weniger geschadet als die Kirchen in den vergangenen 2000 Jahren: »Die Kirchen haben mehr jüdisches Blut an den Händen als all die 300 Menschen auf der Liste zusammen«. epd