Berlin

Konfrontation statt Kuscheln

Foto: picture alliance/dpa

Es begann mit einer kleinen Höflichkeitspause. Auf die erste Frage von Moderator Jan Philipp Burgard im sogenannten TV-Duell zögerten Alice Weidel und Sahra Wagenknecht eine Sekunde lang freundlich und ließen sich gegenseitig den Vortritt. Dann legten die AfD-Chefin und die Gründerin des Bündnisses Sahra Wagenknecht aber doch noch los im Studio von Welt TV. Und je länger es dauerte, desto streitiger wurde das Ganze.

»Da hat Frau Wagenknecht völlig recht«

Das Duell der beiden Spitzenfrauen war auch ein Warmlaufen für die Bundestagswahl im kommenden Jahr. In Umfragen steht die AfD bundesweit bei 17 bis 20 Prozent, das BSW bei 7 bis 9 Prozent. Zwar hat keine der beiden aktuell Aussicht, im Bund mitzuregieren. Aber nach den Landtagswahlen in Ostdeutschland sehen sich beide Parteien gerade auf einer Erfolgswelle. 

Weidel trat wie sehr oft in gedeckten Farben auf - dunkelblauer Blazer, Perlenkette. Wagenknecht hatte sich für das neongrüne Kostüm entschieden. Zu Beginn schien das fast der größte Kontrast zwischen den beiden Parteivorsitzenden zu sein. 

Wirtschaft, Bildung, Nahost, Ukraine: Bei vielem schienen sich Weidel und Wagenknecht erstmal ziemlich einig. »Da hat Frau Wagenknecht völlig recht«, sagte Weidel etwa zur Kritik an hohen Energiekosten und maroder Infrastruktur. Wagenknecht revanchierte sich mit einem »Da bin ich d’accord«, als es um Einsparmöglichkeiten im Haushalt ging.

»Ein bisschen billig«

Wagenknecht plädierte für die Nutzung von russischem Gas und nannte die Russland-Sanktionen ein Eigentor. Beim Thema Ukraine betonte Wagenknecht, man müsse dringend versuchen, einen Verhandlungsfrieden herbeizuführen. »Die Ukraine wird diesen Krieg nicht gewinnen können, sondern man muss verhandeln.« Weidel sagte: »Das sind AfD-Positionen, wie wir sie von Anfang an vortragen.« Das finde sie jetzt »ein bisschen billig«, entgegnete Wagenknecht.

Moderator Burgard versuchte immer wieder, auch die Unterschiede herauszuarbeiten - und fand sie unter anderem beim Thema Schulden. Wagenknecht sprach sich für Kredite für Investitionen in die Infrastruktur aus. Weidel pochte auf die Schuldenbremse. Beim Krieg in Nahost stelle sich die AfD einseitig an die Seite der israelischen Regierung, sagte Wagenknecht. Weidel betonte, jedes Land habe ein Recht auf Selbstverteidigung. Einig waren sich beide, dass Deutschland keine Waffen an Israel liefern solle.

Breitseiten gegen Höcke - »finde es so gruselig«

Beim Thema Migration allerdings gerieten die beiden dann richtig aneinander. Zwar stimmen AfD und BSW in der Migrationspolitik eigentlich in der Forderung nach einem härteren Kurs überein. Wagenknecht warf Weidel aber vor, bei dem Thema Ressentiments zu schüren und sich von Rechtsextremisten in ihrer Partei einspannen zu lassen. 

Sie nannte dabei immer wieder Thüringens AfD-Landeschef Björn Höcke. Minutenlang las Wagenknecht aus einem Buch Höckes vor, wo er unter anderem von »wohltemperierten Grausamkeiten« spreche. Die BSW-Chefin kam zu dem Schluss: »Ich finde es so gruselig.« Auf Nachfragen des Moderators schloss sie »natürlich« eine Koalition mit Leuten aus, die im »Neonazi-Sumpf« steckten.

Weidel teilte daraufhin ihrerseits gegen Wagenknecht aus und meinte, diese sitze beim Thema Extremismus im Glashaus. Weidel warf Wagenknecht in dem Zusammenhang vor, in der kommunistischen Plattform der Linken gewesen zu sein. Wagenknecht tat dies als eine Art Jugendsünde ab und betonte, sie vertrete jetzt ganz andere Positionen und Weidel möge doch bitte richtig zitieren.

Das Ende versöhnlich

Nach Angaben von Moderator Burgard war es das erste Mal, dass beide Parteivorsitzende live in einem Duell aufeinander trafen. Weidel beklagte sich im Verlauf der Sendung mehrfach, dass Wagenknecht ausführlicher habe antworten dürfen. Wagenknecht ging die AfD-Chefin häufiger direkt an und warf ihr zum Beispiel einen unfairen Umgang mit dem BSW vor. Es ging darum, dass Weidel der neuen Partei vorgehalten hatte, ein »Steigbügelhalter« für etablierte Parteien zu sein. 

Am Ende aber fanden dann doch beide wieder einen respektvollen Ton. Burgard fragte sie nach einer Einschätzung der jeweils anderen und nach Einstufung auf einer Rechts-links-Skala. »Ich glaube, Frau Weidel vertritt konservative Positionen«, sagte Wagenknecht versöhnlich. Das Problem sei nur, dass »die Höckes« in der AfD dominierten.

Weidel sagte ihrerseits: »Ich finde an Frau Wagenknecht sehr gut, dass sie die Sachen doch differenziert sieht« - und: »Ich glaube, sie hat ein sehr ausgewogenes Profil.« Und dann war es auch schon vorbei.

Heidelberg

Sie planten Anschlag auf Synagoge: Drei Männer vor Gericht

Die jungen Männer planten außerdem einen Anschlag auf eine jüdische Einrichtung in Frankfurt am Main

 14.11.2024

Justiz

Antisemitischer Schlachtruf wird Fall für BGH 

Die rechtliche Bewertung der Parole »From the river to the sea, palestine will be free« fällt je nach Gericht unterschiedlich aus. Eine höchstrichterliche Klärung gibt es nicht - noch nicht

 14.11.2024

USA

Bekommt Trump seinen Wunschkandidaten als Justizminister?

»Wie ein Sechsjähriger mit einem geladenen Revolver«: So beschreibt ein Parteikollege Matt Gaetz

von Christiane Jacke, Magdalena Tröndle  14.11.2024

Michael Thaidigsmann

Borrells letztes Gefecht

Der scheidende EU-Außenbeauftragte fordert die Aussetzung des Assoziierungsabkommens der EU mit Israel. Damit dürfte er kläglich scheitern

von Michael Thaidigsmann  14.11.2024

Interview

»Man muss sich schon mal fragen, was das gebracht hat«

Der Europaabgeordnete Moritz Körner über den nachlässigen Umgang der EU bei Transferzahlungen an die Palästinenser, den Außenbeauftragten Josep Borrell und dessen Nachfolgerin Kaja Kallas

von Michael Thaidigsmann  14.11.2024

Washington D.C.

Arbeiten Trump und Biden für einen Geiseldeal zusammen?

Das hatte der US-Präsident seinem Nachfolger bei einem Treffen im Weißen Haus angeboten

 14.11.2024

Berlin

Bundesregierung: Blauhelm-Soldaten greifen nicht zugunsten Israels ein

Die im Libanon stationierten deutschen UN-Soldaten geraten medial zunehmend zwischen die Fronten

 14.11.2024

Frankreich

Polizei vor Spiel Frankreichs gegen Israel: Sicherheitsbedingungen garantiert

Israels Gastspiel in Frankreich gilt als Hochrisikopartie

 14.11.2024

Analyse

Drei magere Jahre?

Die »Ampel« ist aus. Wie sich das deutsch-israelische Verhältnis unter der rot-grün-gelben Regierung verändert hat

von Joshua Schultheis  14.11.2024