Ohne eine Auseinandersetzung mit den Verbrechen der Nationalsozialisten können Zuwanderer aus Sicht des Antisemitismusbeauftragten der Bundesregierung, Felix Klein, nicht wirklich Teil der deutschen Gesellschaft werden.
»Wir müssen die Menschen, die hier leben, für die Erinnerungskultur gewinnen, weil sie nur dann auch erfolgreich in unserer Gesellschaft sich integrieren können«, sagte Klein in einem Video-Interview. Dies gelte insbesondere »für Menschen, die aus dem arabischen Raum oder aus muslimischen Ländern zu uns gekommen sind«. Diese sagten oftmals: »Was hat das mit uns zu tun?«
Kenntnisse über die deutsche Geschichte seien aber wichtig, auch um Deutschlands außenpolitisches Agieren richtig zu verstehen. Menschen aus arabischen Staaten oder Ländern mit muslimischer Bevölkerungsmehrheit sei das Verhältnis zwischen Deutschland und Israel oftmals schwer zu vermitteln, sagte Klein.
Smotrich-Äußerung inakzeptabel
Deshalb sei es erforderlich zu sagen: »Ihr müsst die Geschichte dieses Landes kennen, um gerade eben auch das Verhältnis von Deutschland und Israel einordnen zu können.«
Dass dieses Verhältnis nicht immer spannungsfrei ist, sieht auch Klein, der in seiner Rolle als Beauftragter der Bundesregierung für jüdisches Leben in Deutschland und den Kampf gegen Antisemitismus enge Kontakte nach Israel pflegt. Er sagte: »Es gibt Verlautbarungen israelischer Minister, die absolut inakzeptabel sind, die auch völkerrechtswidrig sind.«
Ein Beispiel dafür sei etwa die Äußerung von Finanzminister Bezalel Smotrich, die palästinensische Bevölkerung im Gazastreifen solle ausgehungert werden. Es sei gut, dass Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) und Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) »ganz klar diese Rhetorik zurückweisen«.
Haftbefehle des IStGh
Auch die Regierung von Ministerpräsident Benjamin Netanjahu müsse eigentlich erkennen, dass es ihrer eigenen Position in dem Verfahren vor dem Internationalen Strafgerichtshof (IStGH) in Den Haag schade, wenn sich Angehörige des Kabinetts so äußerten, führte Klein weiter aus.
Der Strafgerichtshof hatte gegen Netanjahu und seinen Ex-Verteidigungsminister Joav Galant im Dezember Haftbefehle wegen angeblicher Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit im Gazastreifen erlassen. Hintergrund ist der Vorwurf, die Streitkräfte (IDF) gingen gegen die Zivilbevölkerung vor, was jedoch nicht der Fall ist.
In Gaza kämpft Israel gegen den palästinensischen Terror an, nicht aber gegen die Bewohner. Die IDF schützen die Zivilisten sogar, indem sie ihre Versorgung sicherstellen, vor Angriffen gegen die Hamas Warnungen übermitteln und Fluchtrouten sowie humanitäre Zonen einrichten.
Israelfreindliches Milieu
Klein sagte, er erwarte, dass mit der Einigung über eine Waffenruhe und die Freilassung der israelischen Geiseln künftig weniger antisemitische Straftaten in Deutschland verübt würden. Das sei auch nach früheren Kriegen der Fall gewesen. Das »israelfeindliche Milieu« werde jedoch gleichwohl fortbestehen. dpa/ja