Schoa-Leugnung, antisemitische Verschwörungstheorien und Vernichtungsphantasien gegen ganze Bevölkerungsgruppen: All das soll Twitter in mindestens sechs Fällen trotz Meldung von Nutzern nicht gelöscht haben.
So lautet der Vorwurf der European Union of Jewish Students (EUJS) und der Organisation HateAid gegen das soziale Medium. Auf einer Pressekonferenz am Mittwoch in Berlin verkündeten Vertreter beider Gruppen daher, gegen Twitter eine Zivilklage eingereicht zu haben. Zustimmung für den Schritt kommt vom Präsidenten des Zentralrats der Juden, Josef Schuster.
Regeln Das Ziel der Klage: Twitter dazu zu zwingen, sich an seine eigenen Regeln zu halten. Denn die Richtlinien der Plattform verbieten unter anderem das Schüren von Hass und den missbräuchlichen Bezug auf den Holocaust. »Wir wollen gerichtlich feststellen lassen, ob Nutzer gegenüber Twitter auf Einhaltung der eigenen Geschäftsbedingungen bestehen können«, erläuterte der Rechtsanwalt Torben Düsing.
Bisher gäbe es nämlich kaum wirksame Mittel, soziale Medien zur Löschung von Inhalten anzuhalten. Einklagen könne man die Entfernung von Beiträgen bisher de facto nur, wenn man unmittelbar Geschädigter ist.
Sollte die Klage erfolgreich sein, wäre das ein »Game Changer«, glaubt die Publizistin und Netzaktivistin Marina Weisband.
Die Klage gegen Twitter wurde am Dienstag beim Landgericht Berlin eingereicht, erläuterte Düsing. Man hoffe auf eine Entscheidung bis Ende dieses Jahres.
Sollte die Klage erfolgreich sein, wäre das ein »Gamechanger« für die Eindämmung von Hass im Internet, sagte die Publizistin und Netzaktivistin Marina Weisband, die die Pressekonferenz moderierte. Das Vorgehen von HateAid und EUJS könne anderen Social-Media-Nutzern künftig als Blaupause dienen, um die Plattform-Betreiber zur Löschung volksverhetzender und antisemitischer Beiträge zu zwingen.
Vertrauen »Twitter hat unser Vertrauen missbraucht«, kritisierte die Präsidentin der EUJS, Avital Grinberg, die Plattform. »Indem das Unternehmen die Verbreitung hasserfüllter Inhalte zulässt, versagt es beim Schutz der Nutzer und Juden im Besonderen.«
Das träfe insbesondere junge jüdische Internetnutzer, die laut Umfragen zu 90 Prozent angäben, Antisemitismus im Netz als großes Problem wahrzunehmen. Jüdinnen und Juden würden sich immer weniger trauen, online offen zu agieren, beobachtet Grinberg. Ihre Botschaft lautet: »Wir werden das nicht länger hinnehmen!«
Zentralratspräsident Schuster nennt die Klage »einen notwendigen Schritt im Kampf gegen Hate Speech«.
Nach Bekanntwerden der Klage meldete sich auch Josef Schuster zu Wort. »Jeder Nutzer von Social Media muss vor Hass, Hetze und Schoa-Leugnung geschützt sein«, sagte der Zentralpräsident in einer Pressemitteilung. »Die Plattformbetreiber müssen ihren vertraglichen Verpflichtungen nachkommen.« Das nun mit einer Zivilklage erzwingen zu wollen, sei »ein notwendiger Schritt im Kampf gegen ›Hate Speech‹«, so Schuster.
Organisationen Die EUJS ist die europäische Dachorganisation von 36 nationalen jüdischen Studierendenunionen und hat seinen Sitz in Brüssel. HateAid unterstützt und berät Betroffene von Internethass. Die Organisation wurde 2018 gegründet und sitzt in Berlin. Im Rahmen des Programms »Landecker Digital Justice Movements« der Alfred Landecker Stiftung finanziert HateAid Grundsatzprozesse gegen Online-Plattform-Betreiber.