Der Streit um die als Wittenberger »Judensau« bekannte Schmähplastik soll jetzt vom Bundesverfassungsgericht entschieden werden. Das Relief an der evangelischen Stadtkirche in der Lutherstadt Wittenberg sei weit mehr als eine Beleidigung und Verunglimpfung, sondern ein »Rufmord an den Juden«, begründete der Kläger am Donnerstag seine Klage vor dem höchsten deutschen Gericht. Betroffen seien Grundrechte wie Menschenwürde und Religionsfreiheit, sagte er im Gespräch mit dem Evangelischen Pressedienst (epd).
Das Mitglied einer jüdischen Gemeinde fordert seit Langem die Entfernung des Sandsteinreliefs und hatte bislang in drei Instanzen dagegen erfolglos geklagt. Zuletzt war die Klage gegen die Schmähplastik aus dem 13. Jahrhundert vor dem Bundesgerichtshof (BGH) gescheitert.
experten-gremium Der Kläger sagte weiter, er freue sich, dass etwas Bewegung in die Sache komme. Am Dienstag hatte ein von der Wittenberger evangelischen Stadtkirchengemeinde einberufenes Experten-Gremium die Verbringung des Reliefs in einen »adäquat kontextualisierenden Rahmen« empfohlen.
Die Gemeinde schließt deshalb die Entfernung der judenfeindlichen Schmähplastik an der Südfassade ihrer Kirche nicht mehr aus. Darüber entscheiden will der Gemeindekirchenrat Ende August.
Obwohl er bisher in allen drei Instanzen vor Gericht verloren habe, sei für ihn die öffentliche Diskussion über solche Schmähplastiken wichtiger als die juristische Auseinandersetzung, sagte der Kläger. Neben dem Relief in Wittenberg gibt es auch an etwa 50 anderen Kirchen in Deutschland derartige Schmähplastiken. Weitere Klagen habe er aber derzeit nicht geplant.
skepsis Noch sei er skeptisch, ob die Skulptur in Wittenberg tatsächlich abgenommen werde. Selbst wenn dies geschehe, werde er seine Beschwerde in Karlsruhe keinesfalls zurückziehen, kündigte er an. Eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts sei auf jeden Fall erforderlich, um die Urteile der Vorinstanzen außer Kraft zu setzen.
Das mittelalterliche Relief von 1290 zeigt ein Schwein, an dessen Zitzen Menschen saugen, die Juden darstellen sollen. Ein Rabbiner blickt dem Tier unter den Schwanz und in den After. Im Judentum gilt ein Schwein als unrein.
Seit 1988 ist die Skulptur in ein Gedenkensemble mit Bodenplatte und einem Aufsteller eingebunden. Darauf befindet sich ein Erklär-Text, in dem sich die Gemeinde von der Skulptur distanziert. Das genügte den Gerichten bislang. Damit habe sich die beklagte Kirche erfolgreich vom Inhalt des Reliefs distanziert und das Schandmal zum Mahnmal gemacht, entschied der Bundesgerichtshof Mitte Juni. epd/ja