Judenhass

Kippa-Träger attackiert: Nasen- und Jochbeinbruch

Foto: imago images/U. J. Alexander

Nach einem brutalen antisemitischen Angriff auf einen jungen Mann in Köln geht die Polizei davon aus, dass sich der Verletzte und die Tatverdächtigen nicht kennen. Offenbar sei der 18-Jährige wegen seiner Kippa aus einer etwa zehnköpfigen Gruppe heraus attackiert worden, sagte ein Sprecher der Ermittler am Sonntag. 

Der Mann hatte am späten Freitagabend mit einem Bekannten auf einer Grünfläche gesessen. Als sie gerade gehen wollten, soll er antisemitisch beleidigt worden sein.

Der 18-Jährige habe sich nach dem Grund erkundigen wollen und sei schließlich geschlagen worden, erläuterte der Sprecher. »Er wurde im Gesicht übel zugerichtet.« Der Verletzte kam mit einem Nasen- und Jochbeinbruch ins Krankenhaus.

Einer aus der Gruppe soll ihm zudem die Kippa vom Kopf geraubt haben. Die Tat wurde teilweise von einer installierten Polizeikamera aufgezeichnet. Noch in der Nacht hatten die Beamten zwei Heranwachsende im Alter von 18 und 19 Jahren, die sie auf den Videoaufnahmen wiedererkannt hatten, festgenommen.

Die beiden seien am Samstag wieder freigelassen worden, gelten aber weiter als Tatverdächtige, erklärte der Sprecher. Weil die Polizei einen antisemitischen Hintergrund für die Tat annimmt, ermittelt der polizeiliche Staatsschutz.

ENTSETZEN Kölns Bürgermeisterin Henriette Reker (parteilos) reagierte »mit Entsetzen und Bedauern« auf die Gewalttat. »In unserer Stadt muss jeder und jede angstfrei leben können, egal welcher Religion man angehört, welche Weltanschauung man hat und wie man lebt und liebt«, erklärte sie am Sonntag.

Die Synagogen-Gemeinde Köln äußerte sich in höchstem Maße entsetzt über den Vorfall.

»Diese Weltoffenheit gehört zu Köln und macht diese Stadt aus, daher schmerzen solche Übergriffe hier bei uns ganz besonders.« Als Stadtgesellschaft müsse man deutlich machen, dass man solche Übergriffe nicht dulde.

Die Synagogen-Gemeinde Köln äußerte sich in höchstem Maße entsetzt über den Vorfall. Immer wieder würden Menschen angegriffen, »nur weil sie als jüdisch identifizierbar sind«, heißt es in einer am Montag veröffentlichten Erklärung von Abraham Lehrer sowie weiteren Mitgliedern des Vorstands.

Der junge Mann sei mitten in einem Kölner Park fürchterlich zugerichtet worden, weil er eine Kippa trug. »Wir erwarten von der Polizei, den Staatsanwaltschaften und den Richtern in diesem Land, dass mit der nötigen Härte des Gesetzes gegen antisemitische Exzesse vorgegangen wird«, erklärte Felix Schotland vom Vorstand der Synagogen-Gemeinde. »Mitglieder der Synagogengemeinde fühlen sich nicht mehr sicher in ihrer Stadt.«

GEBETE »Unsere Gedanken und Gebete sind bei dem schwer verletzten Jugendlichen, und wir wünschen ihm eine schnelle Genesung«, erklärte der Frankfurter Gemeinderabbiner Avichai Apel für den Vorstand der Orthodoxen Rabbinerkonferenz Deutschland (ORD). Umso trauriger sei die Tatsache, dass junge Menschen diese Tat begangen haben.

Die Tat von Köln sei, so Apel, »auch ein Zeichen, dass vor allem jungen Menschen in Schulen, Bildungseinrichtungen oder anderen öffentlichen Einrichtungen mehr über jüdisches Leben vermittelt werden muss, damit aus Unwissenheit oder Angst vor dem Fremden nicht Hass und Gewalt werden und sich gegen Jüdinnen und Juden richten, die seit 1700 Jahren ein selbstverständlicher Teil Deutschlands sind«.

BESTÜRZUNG Der Antisemitismusbeauftragte der Bundesregierung, Felix Klein, zeigte sich bestürzt über den brutalen Angriff in Köln. »Ich bin entsetzt über diesen schrecklichen und feigen Angriff auf einen jungen Mann, der offenbar aufgrund antisemitischer Motive aus einer Gruppe heraus heftig angegriffen und dabei schwer verletzt wurde«, sagte Klein am Montag.

Die nordrhein-westfälische Antisemitismusbeauftragte verurteilte den Angriff ebenfalls scharf.

Klein lobte den »schnellen Ermittlungserfolg der Polizei«, die die mutmaßlichen Täter noch am selben Tag festnehmen konnte. Seine Gedanken seien bei dem jungen Mann, dem er eine baldige und vollständige Genesung wünsche. »Zugleich hoffe ich, dass die mutmaßlichen Täter, die offenbar erst 18 und 19 Jahre alt sind, geeigneten Schulungsprogrammen zugeführt werden, in denen ihnen die Grundlagen der Rechtsstaatlichkeit und unserer freiheitlichen demokratischen Grundordnung vermittelt werden«, sagte Klein.

HÄRTE Die nordrhein-westfälische Antisemitismusbeauftragte verurteilte den Angriff auf den jungen Mann ebenfalls scharf. Der feige Angriff habe »offensichtlich wieder einmal die hässliche Fratze des Antisemitismus in Deutschland sichtbar gemacht«, erklärte Sabine Leutheusser-Schnarrenberger am Montag in Düsseldorf.

»Eine Kippa zu tragen, muss in Köln, in Nordrhein-Westfalen und überall in Deutschland ohne Angst möglich sein«, unterstrich sie. Angriffe auf Leib und Leben von Juden seien widerwärtige Attacken, »die konsequent verfolgt und mit aller Härte des Gesetzes bestraft werden müssen«, sagte Leutheusser-Schnarrenberger.

»Jedem Täter sei gesagt, wir dulden keinen Antisemitismus in unserer Gesellschaft und werden alle rechtsstaatlichen Mittel einsetzen, um diese widerwärtige menschenverachtende Gesinnung von unseren Straßen zu verbannen«, erklärte die FDP-Politikerin. dpa/ja/epd

Anschlag von Magdeburg

»Radikalisierung mit Extremismusbezügen nach rechts«

Thüringer Verfassungsschutzpräsident Stephan Kramer verortet Tatverdächtigen im rechtsextremen Spektrum

 24.12.2024

Berlin-Schöneberg

Chanukka-Leuchter umgestoßen

Polizei: Zwei Arme der Chanukkia am Bayerischen Platz beschädigt – der Staatsschutz ermittelt

 24.12.2024

Taleb A.

Was über den Attentäter von Magdeburg bekannt ist

Er galt den Behörden nicht als Islamist, präsentierte sich als scharfer Islamkritiker, kämpfte für Frauenrechte und arbeitete als Arzt. Aber es gab auch eine andere Seite

 23.12.2024

Polen

Staatssekretär: »Würden Netanjahu bei Teilnahme an Auschwitz-Gedenkfeier verhaften«

Eine Auschwitz-Überlebende bringt wegen der polnischen Haltung einen Boykott der Gedenkfeier ins Spiel

 23.12.2024

Umfrage

Vertrauen in den Zentralrat der Juden vergleichsweise hoch

Laut einer Forsa-Umfrage ist das Vertrauen in den Zentralrat der Juden in Deutschland in der Gesellschaft höher als das in die Kirchen

 23.12.2024

Extremismus

Terrorexperte Peter Neumann fordert neue Täter-Kategorie

Nach dem Anschlag von Magdeburg: In Deutschland werde über Terroristen in allzu starren Kategorien gedacht

 23.12.2024

Gastkommentar

Antisemitismus: Lücken im Strafrecht schließen!

Im Kampf gegen Judenhass darf es nicht bei rechtlich unverbindlichen Appellen bleiben

von Volker Beck  23.12.2024

Brandenburg

Bürgermeister Arne Raue: Wechsel zur AfD vollzogen

Damit gibt es einen weiteren hauptamtlichen Bürgermeister der Rechtsaußen-Partei in Deutschland

 23.12.2024

Orthodoxe Rabbinerkonferenz

Rabbiner warnen nach Magdeburger Anschlag vor Hass und Spaltung

Die orthodoxen Rabbiner in Deutschland drücken ihre Anteilnahme nach dem tödlichen Angriff auf den Magdeburger Weihnachtsmarkt aus

 23.12.2024