Es ist erstaunlich, dass ich seit zehn Jahren Mutter bin, aber das nicht wusste: wie viel zwei Kinder über einen Tag verteilt essen. Zehn Tage nach der coronabedingten Schulschließung bestellte ich eine Sandwichmaschine – eine unaufwendige Mahlzeit am Tag.
Ich bin die einzige Erwachsene im Haushalt, also ist Gleichzeitigkeit das Lebenskonzept. Ich übersehe, während ich in einer Telefonkonferenz die Rechenaufgaben des Kindes scanne, dass drei mal vier nicht 14 ergibt, höre weder, was Kollegen am Telefon sagen, noch, was das Kind über die sehr lustige Sprechblase im Donald-Duck-Comic erzählt, konzentriere mich aber darauf, am Ende »Das ist ja total witzig« zu sagen. Schon lange höre ich nicht mehr, was ich will oder brauche.
MÜTTER Denn plötzlich muss ich, die immer Wert darauf legte, keine kochende Mutti zu sein, drei Mahlzeiten zubereiten. In der Corona-Krise sind wir Mütter – und Lehrerinnen, Köchinnen, Psychologinnen, während wir auch weiterhin das sind, was wir uns als Beruf erwählt haben.
Die ersten Studien zeigen: Den Großteil der Last, die durch die Corona-Pandemie auf die Familien fällt, tragen die Frauen.
Die ersten Studien zeigen: Den Großteil der Last, die durch die Corona-Pandemie auf die Familien fällt, tragen die Frauen – größere Kinder zu unterrichten, kleinere zu bespaßen, alle bei Laune zu halten und zu füttern. Kinder, Küche, Kiddusch und, wenn möglich, auch noch Vollzeit-Homeoffice. Das alte Rollenmodell ist plötzlich wieder da, beherrscht das Leben. Vieles stimmt nicht daran, und noch mehr muss sich ändern.
BIO-REFERATE Die Care-Arbeit muss gleichberechtigt verteilt werden. Väter müssen zwischen Videokonferenzen genauso Bio-Referate abhören wie Mütter. Die Kinder müssen wissen, dass beide Eltern für die Zubereitung von Sandwiches zuständig sind und auch beide bei Wahrscheinlichkeitsrechnung versagen.
Gleichzeitigkeit als Lebenskonzept ist etwas, wozu die Pandemie uns zwingt. Ob sie uns aber alle gleichermaßen in die Gleichzeitigkeit zwingt, müssen wir als Gesellschaft entscheiden und verantworten. Ansonsten kann ich anstatt traditioneller Rollenmodelle und kochender Mütter eine Sandwichmaschine empfehlen.
Die Autorin ist Schriftstellerin in München.