Kiews Oberrabbiner, Jonathan Markovitch, hat angesichts der Situation in der Ukraine Sorge vor antisemitischen Angriffen auf die Synagoge der jüdischen Gemeinde geäußert. »Wir haben Angst vor Antisemitismus, weil wir nicht wissen, was passieren wird«, sagte der Rabbiner am Donnerstag in Kiew.
Sie hätten Sorge, dass es zu Unruhen und Plünderungen kommen könne. Sie hätten 50 Matratzen, Essen und Treibstoff in der Synagoge, um die Mitglieder der 2500-köpfigen Gemeinde zu versorgen, die nicht weg könnten.
Seine Frau Inna verwies darauf, wie in der Geschichte immer wieder Juden verantwortlich gemacht worden seien, wenn es irgendwo Probleme gegeben habe. »Geschichte wiederholt sich«, sagte sie.
Von ihnen engagierte Sicherheitskräfte seien am Morgen nicht aufgetaucht, die Firma habe den vereinbarten Preis verdoppelt, sagte sie. Jetzt müssten sie überlegen, was sie machen wollten. Sie bräuchten dringend bewaffneten Schutz.
Morgens um 7.00 Uhr seien sie mit dem Bombenalarm aufgewacht, erzählte Inna Markovitch. »Es war sehr beängstigend, es gibt keine Infrastruktur in Kiew, keine Raketenbunker, keine Hilfe von der Regierung, selbst der Alarm war sehr schwach.« Zumindest hätten sie einen Keller bei der Synagoge. Es habe die Anweisung gegeben, in die U-Bahn-Stationen zu gehe, weil die tief in der Erde seien. Aber sie lebten beispielsweise 20 Minuten von einer entfernt.
Sie beide hätten auch israelische Pässe, hätten sich aber dazu entschlossen, in Kiew zu bleiben, sagte sie. »Wir fühlen uns der jüdischen Bevölkerung hier verpflichtet.« Sie verwies auf allein rund 200 bettlägerige Gemeindemitglieder. Rabbi Markovitch und seine Frau haben demnach selbst sieben Kinder und zahlreiche Enkelkinder, die auch noch in Kiew sind.
Sie stünden im Kontakt mit der israelischen Botschaft. »Doch die können nichts machen«, sagte der Rabbi. Die seien weit weg in Lwiw im Westen der Ukraine. Er und seine Frau hätten versucht, Mini-Busse zu organisieren, um Menschen aus der Stadt und dem Land zu helfen. Aber wer am Morgen nach 6.30 Uhr versucht habe, Kiew zu verlassen, sei schlicht im Verkehr steckengeblieben. Freunde hätten nach drei Stunden im Stau noch in Kiew aufgegeben und seien wieder zurückgekehrt. Die Straßen in der Innenstadt wiederum seien leer.