Warschau

Keine Routine

Außenministerin Annalena Baerbock (Bündnis 90/Die Grünen) Foto: picture alliance/dpa

Außenministerin Annalena Baerbock reist an diesem Montag zu einem Besuch nach Polen. In der Hauptstadt Warschau will die Grünen-Politikerin am Abend zunächst an den Feierlichkeiten der Deutschen Botschaft zum Tag der Deutschen Einheit teilnehmen und eine Rede halten.

Am Dienstagmorgen trifft Baerbock ihren polnischen Kollegen Zbigniew Rau zu einem Gespräch im Außenministerium. Anschließend wird die Ministerin an Teilen des Programms des Warschauer Sicherheitsforums teilnehmen. Unter anderem will die Grünen-Politikerin an einer Diskussion zur Lage im Angriffskrieg Russlands auf die Ukraine und dessen Folgen teilnehmen.

DIPLOMATISCHE NOTE Bei dem Gespräch Baerbocks mit Rau dürften erneut die polnischen Forderungen nach Reparationen für die im Zweiten Weltkrieg von Deutschland angerichteten Schäden eine Rolle spielen. Rau hatte kürzlich angekündigt, seine Regierung wolle bis Anfang Oktober eine diplomatische Note vorbereiten, um Berlin über die Forderungen zu informieren. 

Warschau beziffert die Weltkriegsschäden in Polen auf mehr als 1,3 Billionen Euro.

Die nationalkonservative Regierungspartei PiS verschärft seit geraumer Zeit mit Blick auf die kommende Parlamentswahl im Herbst 2023 wieder ihre antideutsche Rhetorik. Anfang September legte eine Parlamentskommission in Warschau ein Gutachten vor, in dem die Weltkriegsschäden in Polen auf mehr als 1,3 Billionen Euro beziffert werden.

Das Gutachten wurde zum 83. Jahrestag des Beginns des Zweiten Weltkriegs im Königsschloss der polnischen Hauptstadt vorgestellt. Es sollte die Reparationsforderungen von Polen an die Bundesrepublik untermauern.

Die Bundesregierung sieht dafür keine Grundlage. Sie lehnt die Forderung nach Reparationen ab. Sie beruft sich dabei auf den Zwei-plus-Vier-Vertrag von 1990 über die außenpolitischen Folgen der deutschen Einheit.

Am 1. September 1939 begann der deutsche Überfall auf Polen. Dies war auch der Beginn des Zweiten Weltkriegs mit mindestens 55 Millionen Toten.

»Die Deutschen sind in Polen eingefallen und haben uns enormen Schaden zugefügt. Die Besatzung war unglaublich verbrecherisch, unglaublich grausam und hatte Auswirkungen, die in vielen Fällen bis heute anhalten«, hatte PiS-Chef Jaroslaw Kaczynski, der als starker Mann der polnischen Politik gilt, am 1. September bei der Vorstellung des Gutachtens in Warschau gesagt.

Daher werde Warschau von Berlin Reparationen fordern. »Wir können nicht zur Tagesordnung übergehen, nur weil es jemandem so vorkommt, als befände sich Polen in einer besonderen, radikal niedrigeren Position als andere Länder, so Kaczynski weiter. Er sei sich bewusst, dass es zu den Reparationen ein »langer und schwieriger Weg« sei.

RÜCKBLICK Die nationalkonservative PiS-Regierung, die das Nachbarland seit 2015 führt, hat das Thema Entschädigungszahlungen immer wieder aufgebracht. Die PiS rief 2017 für das Gutachten eine Parlamentskommission ins Leben. Zudem gründete Polen ein Forschungsinstitut für Kriegsschäden.

Am 1. September 1939 begann der deutsche Überfall auf Polen. Dies war auch der Beginn des Zweiten Weltkriegs mit mindestens 55 Millionen Toten – andere Schätzungen kommen sogar auf bis zu 80 Millionen. Genaue Zahlen gibt es nicht. Allein in Polen kamen nach Schätzungen bis zu sechs Millionen Menschen ums Leben.

Warschau weist Forderungen regelmäßig zurück, Polen solle Schoa-Opfern das in deutscher Besatzungszeit konfiszierte Eigentum zurückgeben oder Entschädigungen zahlen.

Polen seinerseits steht regelmäßig in der Kritik von israelischen Politikern und jüdischen Organisationen. Der Grund: Immer wieder weist Warschau Forderungen zurück, Polen solle Holocaust-Opfern das in deutscher Besatzungszeit konfiszierte Eigentum zurückgeben oder Entschädigungen zahlen.

Im August 2019 etwa hatten 88 US-Senatoren in einem Brief an den damaligen Außenminister Mike Pompeo gefordert, Polen müsse die Rückgabe von Eigentum und Entschädigungszahlungen an Schoa-Opfer und ihre Familien gesetzlich regeln. Dies sei bislang kaum möglich, da viele Immobilien nach dem Krieg unter den Kommunisten in Staatsbesitz übergegangen waren. dpa/ja

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