Meinung

Kein Herumlavieren bei Völkermord

Wer die Tatsache abstreitet, dass vor genau 100 Jahren ein Genozid am armenischen Volk begann, dem binnen kurzer Zeit etwa anderthalb Millionen Menschen zum Opfer fielen, ist verblendet, ist ein Lügner – oder nimmt diplomatische Rücksichten. Bis zur Peinlichkeit standhaft verteidigte Außenminister Frank-Walter Steinmeier Redewendungen, in denen die Begriffe »Völkermord« oder »Genozid« nicht vorkamen.

druck Doch innenpolitischer Druck, nicht nur von Grünen und Linken, sondern auch aus SPD und Union, sorgte dafür, dass sich Berlin dieses der Türkei entgegenkommende Herumlavieren nicht mehr leisten konnte. Nun legten CDU/CSU und SPD eine neue Formulierung für eine Resolution vor: Was den Armeniern vom Osmanischen Reich zugefügt wurde, stehe »beispielhaft für die Geschichte der Massenvernichtungen, der ethnischen Säuberungen, der Vertreibungen und der Völkermorde, die es im 20. Jahrhundert gegeben hat«.

Man will nicht wissen, wie viele Juristen, PR-Experten und Diplomaten wie viele Stunden lang an dieser Formulierung gesessen haben und wie groß die Begeisterung gewesen sein muss, als einer auf diese erlösende Formel kam: »Beispielhaft für die Geschichte der Völkermorde«! Welch großer Wurf! Der Begriff »Völkermord« kommt vor, wird aber nicht explizit auf die Verbrechen, die das Osmanische Reich an den Armeniern begangen hat, angewendet! Und damit niemand mit dem – ehrlich gesagt: sehr naheliegenden – Vorwurf kommt, hier werde die Schoa relativiert, wurde noch dies in den Textentwurf mit aufgenommen: Die Abgeordneten »wissen um die Einzigartigkeit des Holocaust, für den Deutschland Schuld und Verantwortung trägt«.

verantwortung Mag sein, dass die Schlaumeier aus der Koalition stolz auf ihre Formulierung sind, aber worum es geht, haben die technokratischen Sprachakrobaten nicht verstanden: Verbrechen müssen beim Namen genannt, Verantwortung muss übernommen werden.

In diesen Tagen, in denen vielerorts der Befreiung der KZs vor 70 Jahren gedacht wird und sich die Welt auf die Feierlichkeiten zum 70. Jahrestag des Endes der NS-Herrschaft vorbereitet, ist viel von Lehren aus der Geschichte die Rede. Wenn mit der Erinnerung an die Schoa in drei Jahrzehnten so umgesprungen wird wie jetzt mit dem Genozid an den Armeniern vor 100 Jahren, dann waren die Bemühungen um ein würdiges Gedenken weitgehend wertlos.

Jemen

Huthi-Anführer verlassen Hauptstadt nach Angriffen im Jemen

Nach den US-Angriffen und aus Sorge vor weiteren Explosionen fliehen einige führende Mitglieder aufs Land

 16.03.2025

Analyse

Die Umdeutler

Die AfD will die deutsche Geschichte verfälschen. Künftig kann sie ihr Ziel noch konsequenter verfolgen

von Sebastian Beer  16.03.2025

USA

Wer Jude ist, bestimmt nun er

Donald Trump wird immer mehr wie der berühmt-berüchtigte Wiener Bürgermeister Karl Lueger

von Michael Thaidigsmann  16.03.2025 Aktualisiert

In eigener Sache

Warum es uns besonders wichtig ist, mit einer Sonderausgabe an Kfir, Ariel und Shiri Bibas zu erinnern

Ein Editorial von JA-Chefredakteur Philipp Peyman Engel

von Philipp Peyman Engel  16.03.2025 Aktualisiert

Berlin

Joschka Fischer nennt mögliche Verhaftung Netanjahus »absurd«

Der frühere Außenminister stimmt CDU-Chef Friedrich Merz zu: Der israelische Ministerpräsident müsse Deutschland unbehelligt besuchen können

von Imanuel Marcus  16.03.2025

Berlin

Staatsanwaltschaft: Deutlich mehr antisemitische Straftaten

Im vergangenen Jahr wurden 756 Fälle registriert

 16.03.2025

Brüssel

Früherer EJC-Chef Kantor von EU-Sanktionsliste gestrichen

Die Streichung des russisch-britischen Geschäftsmanns erfolgte offenbar auf Druck der ungarischen Regierung

 14.03.2025

New York

Im Trump Tower: Demo gegen Abschiebung eines Israelfeindes

Die USA wollen einen israelfeindlichen Aktivisten abschieben. Noch gab es kein Gerichtsverfahren, das Weiße Haus sieht sich im Recht. Jetzt gab es Protest – an einem symbolträchtigen Ort

 14.03.2025

Solidarität

»Wir haben Potter als einen mutigen Journalisten kennengelernt«

Der Journalist Nicholas Potter ist seit Wochen das Ziel einer Rufmordkampagne, initiiert von einem dubiosen Propaganda-Portal und befeuert von antiisraelischen Aktivisten. Jetzt äußert sich der Zentralrat der Juden

von Nils Kottmann  14.03.2025 Aktualisiert