Thüringen

Kein Bratwurstmuseum auf früherem KZ-Gelände

In Thüringen ist der Streit um das Deutsche Bratwurstmuseum beendet. Foto: imago

Das Thüringer Bratwurstmuseum wird nicht auf das Gelände eines ehemaligen Außenlagers des KZ Buchenwald in Mühlhausen umziehen. Darüber hätten Stadt und Land bei Gesprächen Einigkeit erzielt, teilte Thüringens Kulturminister und Antisemitismusbeauftragter, Benjamin-Immanuel Hoff (Linke), mit. Der geplante Umzug aus Holzhausen im Ilmkreis auf das Gelände des früheren Konzentrationslagers hatte zuvor Empörung ausgelöst.

Er stimme mit Mühlhausens Oberbürgermeister Johannes Bruns (SPD) überein, dass der in Rede stehende Standort des Außenlagers des früheren KZ Buchenwald ungeeignet ist, unterstrich Hoff. Es dürfe keinen Zweifel am Leid der in den Konzentrationslagern der Nationalsozialisten Internierten und an der Unmenschlichkeit des Systems der Zwangsarbeit geben, betonten beide Politiker.

INFORMATIONEN Gemeinsam mit der Stiftung Gedenkstätten Buchenwald und Mittelbau-Dora wollten Stadt und Land die bereits bestehende Erinnerungsstätte an das frühere KZ-Außenlager »öffentlich wahrnehmbarer« machen, kündigten beide an.

Eigentlich war es beschlossene Sache, nun rudert die Stadt Mühlhausen zurück.

Hoff betonte, bei dem Bratwurstmuseum handele es sich um eine privat getragene Einrichtung und nicht um ein öffentlich finanziertes Museum. Der Förderverein und die Einrichtung selbst seien nicht darüber informiert gewesen, um welche Liegenschaft es sich in Mühlhausen handelte.

Bei einem Pressetermin hatten Museumsbetreiber und Stadt zur Wochenmitte die Wahl des Standorts zunächst unter anderem damit verteidigt, dass es sich nur um ein Schlaflager gehandelt habe. Dem widersprach die Stiftung Gedenkstätten Buchenwald und Mittelbau-Dora heftig.

GESCHICHTSVERGESSEN Zur Schadensbegrenzung sei daraufhin am Donnerstag sowohl das Gespräch mit der Jüdischen Landesgemeinde als auch mit der Gedenkstätte gesucht worden, heißt es in Medienberichten.

Josef Schuster, Präsident des Zentralrats der Juden, hatte am Freitag heftige Kritik an den bisherigen Standortplänen geäußert. »Bei allem Verständnis für touristische Attraktionen ist eine derart unsensible und geschichtsvergessene Entscheidung in keiner Weise nachzuvollziehen«, teilte er auf Anfrage der Deutschen Presse-Agentur mit. »Im Interesse aller Beteiligten sollte umgehend eine andere Örtlichkeit gesucht werden.«

Zentralratspräsident Josef Schuster äußerte heftige Kritik an den bisherigen Standortplänen.

»Da hat jemand nicht verstanden, was es bedeutet, in einem KZ eingesperrt zu sein«, sagte der Vorsitzende der Jüdischen Landesgemeinde, Reinhard Schramm. Er hätte sich gewünscht, dass sich die Verantwortlichen besser informierten. Der Landesvorsitzende verwies aber auch auf das bisher gute Verhältnis zu Mühlhausen, wo es eine Synagoge gibt und viele gemeinsame Veranstaltungen stattfinden. »Gemeinsam sollten wir einen anderen Standort finden«, sagte Schramm.

INVESTOR Seit 2008 besitzt ein privater Investor das Gelände am nordöstlichen Rand des Stadtwalds in Mühlhausen. Dieser hatte bereits 2015 im Stadtrat Pläne zur touristischen Nutzung des Standorts vorgestellt, wie Dirk Anhalt von der Stadtratsfraktion der Linken der Deutschen Presse-Agentur sagte.

Schon damals habe Anhalt im Stadtrat auf die historische Bedeutung des Geländes hingewiesen. Der Investor hatte damals zugesichert, der historischen Bedeutung Rechnung zu tragen. Das Konzentrationslager Buchenwald bei Weimar hatte insgesamt 139 Außenlager.

Der Trägerverein des Museums zeigte sich ob der Pläne des Museums schockiert.

Der Trägerverein des Museums zeigte sich ob der Pläne des Museums schockiert. Man habe erst am Mittwoch von der Geschichte des Standortes erfahren, sagte Uwe Keith, Vorsitzender der »Freunde der Thüringer Bratwurst.« Vor dem Hintergrund der zu Tage getretenen Tatsachen werde der Trägerverein  »in den nächsten Tagen die historischen Hintergründe aufklären und unter Einbeziehung aller Verantwortlichen und der öffentlichen Meinung eine komplette Neubewertung vornehmen«.

ZWANGSARBEIT Seit 1944 sind nach Angaben des Historikers Frank Baranowski im Lager »Martha II« bis zu 700 weibliche jüdische Häftlinge zwischen 15 und 33 Jahren aus Ungarn und Polen festgehalten und zur Zwangsarbeit gezwungen worden.

»Das Lager war ein KZ Buchenwald im Kleinen mit gleich schlimmen Lebensbedingungen. Nur dass man die Insassen zum Arbeiten brauchte und deshalb nicht einfach dem Tod überließ«, so Baranowski.  epd/dpa/ja

Einspruch

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