Interview

Katholischer Verband verwaltet Sparbücher der SS: »Falls noch jemand kommt«

In Lebensborn-Heimen kamen etwa 18.000 Babys zur Welt. Foto: picture alliance / World History Archive

Interview

Katholischer Verband verwaltet Sparbücher der SS: »Falls noch jemand kommt«

Seit rund 70 Jahren verwaltet die Katholische Jugendfürsorge München (KJF) Geld, das die SS einst für unehelich geborene Kinder anlegte. Die rechtmäßigen Besitzer könnten ja noch aufkreuzen, sagt KJF-Vorständin Barbara Igl

 07.01.2025 12:13 Uhr

Frau Igl, Sie haben fast 60.000 Euro auf dem Konto, aber das Geld gehört Ihnen nicht. Wem dann?
Es handelt sich aktuell um rund 57.000 Euro Sparguthaben. Sie gehören ehemaligen Lebensborn-Kindern beziehungsweise deren Nachkommen.

Wieso verwaltet die KJF dieses Vermögen?
Nach dem Krieg gab es außer der katholischen Wohlfahrt keine andere nationalsozialistisch unbelastete Organisation, die Erfahrung mit Vormundschaftspflege und Fürsorge hatte. In Steinhöring war das letzte Heim des von der SS gegründeten Vereins Lebensborn, das bei Kriegsende noch betrieben wurde. 160 Kinder wurden bei KJF und Caritas in Obhut gegeben. 1955 kam die Zuständigkeit für die Verwaltung von mehreren hundert Sparbüchern hinzu, die während der NS-Zeit für alle Lebensborn-Mündel angelegt worden waren.

Wie viele Sparbücher waren da noch übrig?
Genau 469.

Wie sah diese Verwaltung aus?
Es gab ja keinerlei gültige Adressen zu den Namen. Gedacht war das so: Erhielt ein Jugendamt oder ein Gericht eine Anfrage, ob da ein solches Sparbuch für eine Person existiert, wurde das bei uns im Haus geprüft und ausgehändigt, wenn die Legitimation gegeben war. Einen aktiven Suchauftrag hatten wir nicht. Es ging nur ums Aufheben.

Besteht noch eine realistische Aussicht, dass sich ein rechtmäßiger Eigentümer bei Ihnen meldet?
In den 1970er Jahren gab es eine großangelegte internationale Suchaktion, in die auch das Rote Kreuz mit seinem Suchdienst involviert war. Aber da haben sich nicht mehr als 20 Personen gemeldet.

Wann war die letzte Auszahlung?
2015 gab es zwei, 2020 eine, die vorerst letzte wurde 2023 verbucht. Das heißt, es melden sich schon noch Personen, aber halt nicht ständig.

Von welchen Summen reden wir?
Bei der letzten Auszahlung waren es 168 Euro und 94 Cent. Da waren alle seither aufgelaufenen Zinsen mit dabei.

Das ist jetzt kein Vermögen.
Das liegt auch an den eingezahlten Beträgen. Einige Sparbücher enthielten Einzahlungen von nicht einmal zwei Reichsmark, in Einzelfällen waren es knapp 2.000 Mark. Dazu kommt dann der Wertverlust durch die Währungsreform 1948. Im Schnitt können Empfangsberechtigte mit etwa 85 Euro rechnen.

Wie lange wollen Sie das Geld noch aufheben?
Juristisch sind die Zahlungsansprüche verjährt. Die KJF hätte diese 57.000 Euro schon lange für einen anderen Zweck verwenden können. Es war uns aber immer wichtig, falls noch jemand kommt, diese Auszahlung zu ermöglichen.

Warum?
Das Materielle ist gar nicht so entscheidend. Da geht es eher darum, Geschichte aufzuarbeiten und wenigstens in einem Teil zu bereinigen. Viele ehemalige Lebensborn-Zöglinge treibt um, dass sie als Täterkinder lange keinen Opferstatus hatten. Sie wuchsen bei Pflegeeltern auf, die sich von ihrer Adoption einen Aufstieg in der NS-Gesellschaft erhofften. Nach dem Krieg wurden sie wie heiße Kartoffeln fallengelassen. Zum Teil haben Lebensbornkinder sehr lange gebraucht, bis sie sich an dieses Thema herangewagt haben. Manchmal werden erst die Enkel aktiv.

Was können die mit den Sparbüchern anfangen?
Einige sind detektivisch ganz gut unterwegs und versuchen dann herauszufinden, wer Omas Vater war oder wo man sie untergebracht hat. Da gibt es durchaus Erfolgserlebnisse.

Wann werden Sie das Kapitel abschließen?
Es gibt dafür keinen Termin und auch keine Entscheidung. Ich könnte mir vorstellen, dass wir einen Teil des Geldes dafür einsetzen, in Steinhöring diese Vergangenheit stärker zu dokumentieren. Es gibt dort immer wieder Informationsveranstaltungen dazu. Das Gebäude, in dem das Lebensborn-Heim war, ist heute eine Förderstätte für Menschen mit Behinderung. Also für genau solche Personen, die der NS-Ideologie als lebensunwert galten. Aber das Haus muss jetzt erst einmal saniert werden und dann sehen wir weiter.

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