Auf den ersten Blick sieht es aus wie eine persönliche Fehde zwischen Elizabeth Warren und Bernie Sanders. Und doch haben die beiden Präsidentschaftsbewerber der Demokraten eine Gretchenfrage aufgeworfen, an der Wähler der Partei sich schon seit mehr als drei Jahren abarbeiten: Kann eine Frau Donald Trump das Weiße Haus streitig machen?
Viele Wähler können sich für die Vorstellung einer ersten US-Präsidentin zwar erwärmen, sorgen sich insgeheim aber, dass tief sitzende Vorbehalte gegen Frauen die Siegchancen schmälern könnten - zumal den Demokraten die Niederlage von Hillary Clinton 2016 klar vor Augen steht. Da fragen sich viele Parteianhänger, ob die Vision von einer Hausherrin im Weißen Haus wichtiger ist als die pragmatische Wette auf einen männlichen Kandidaten, dem bessere Erfolgsaussichten gegen Trump eingeräumt werden.
Clintons Team sei damals mit der »naiven« Annahme ins Rennen gegangen, dass Vorurteile gegenüber Frauen kein Problem sein würden, sagt Adrienne Elrod, eine Strategin der Demokraten. Schließlich habe das Land da schon mit Barack Obama den ersten schwarzen Präsidenten gewählt - und mit Clinton eine bewährte Kandidatin gehabt, die schon Senatorin und Außenministerin gewesen sei.
Schnell seien sie jedoch eines Besseren belehrt worden, erinnert sich Elrod, die damals als ranghohe Beraterin der Clinton-Kampagne fungierte. Die falsche Wahrnehmung, dass eine Frau nicht zur Präsidentin gewählt werden könne, gebe es noch immer. Dabei habe Clinton bei der letzten Präsidentenwahl landesweit mit rund drei Millionen Stimmen vorne gelegen, während Trump dank seines ausschlaggebenden Vorsprungs bei den Stimmen der Wahlleute des Electoral College gewonnen habe, bemerkt Elrod.
Auch die aktuellen Bewerberinnen um die Präsidentschaftsnominierung der Demokraten haben einen schweren Stand. Von den sechs Frauen, die ins Rennen 2020 eingestiegen sind, bewegt sich nur Senatorin Warren in Umfragen im oberen Bewerberfeld. Das teilt sie sich mit Ex-Vizepräsident Joe Biden, Senator Bernie Sanders und Pete Buttigieg, dem Ex-Bürgermeister von South Bend.
Über Monate hinweg hatte Warren die Geschlechterfrage weitgehend umschifft. Doch nun kann sie ihr wohl nicht länger aus dem Weg gehen, hat sie die Frage doch selbst aufs Tableau gehoben. Sanders habe ihr 2018 bei einem privaten Treffen gesagt, dass eine Frau Trump nicht bezwingen könne, rügte die Senatorin von Massachusetts Sanders bei der TV-Debatte in Des Moines im Staat Iowa. Dieser dementierte heftig. Sein Wahlkampfteam warf Warrens zunächst gar vor, bewusst eine Lüge zu verbreiten.
Aber Sanders ranghöchster Berater Jeff Weaver versuchte letztlich, die Sache als eine Angelegenheit von Aussage gegen Aussage darzustellen. Warren und Sanders hätten sich »missverstanden«. Selbst Trump ergriff bei einem Wahlkampfauftritt in Wisconsin in einem seltenen Moment für Sanders Partei und erklärte, so etwas würde der Senator nicht sagen.
Eine lange Fehde könnte am Ende beiden schaden. Schließlich kann sich weder Warren noch Sanders es leisten, die Frauen zu verprellen. Denn diesen wird bei den Vorwahlen der Demokraten 2020 eine gewichtige Rolle zukommen.
Schon Trumps Wahlsieg 2016 hatte einen neuen Aktivismus unter Frauen ausgelöst. Zu Millionen demonstrierten sie und traten in Rekordzahl zu Wahlen an, die sie auch teils gewannen. Vor allem in den Vororten kehrten viele gut ausgebildete Bürgerinnen Trumps Republikanern den Rücken. Eine Folge: Bei den Zwischenwahlen 2018 eroberten die Demokraten die Mehrheit im Repräsentantenhaus zurück.
Auf die politische Frauenpower wies Warren bei ihrem Schlagabtausch mit Sanders in der TV-Debatte hin. Alle männlichen Kandidaten auf der Bühne hätten zusammen schon zehn Wahlen verloren, während sie und die einzige andere Teilnehmerin - Senatorin Amy Klobuchar - noch kein Rennen verloren hätten, bei dem sie angetreten seien. Dafür erntete sie anhaltenden Applaus aus dem Publikum. dpa