Am Sonntagabend wurde der Durchbruch gemeldet: Die Hamas habe sich zur Einhaltung der Waffenruhe bereit erklärt, falls Israel die Fliegerangriffe auf den Gazastreifen einstelle. Hinter dieser Meldung steckt mehr als bloß ein Waffenstillstand. Sie wirft ein Licht auf jüngere politische Entwicklungen. Zum einen ist die Vereinbarung dank ägyptischer Hilfestellung möglich geworden: In Kairo hatte eine hochrangige israelische Delegation den Deal ausgehandelt. Zum anderen hat Israel, wenn auch nur indirekt, erstmals mit der radikal-islamischen Hamas ein Abkommen geschlossen.
Dass es zu diesem historischen Schritt kommen konnte, liegt daran, dass nicht nur Israel, sondern auch die Hamas – neuerdings zumindest – nicht an einer Eskalation der Gewalt interessiert ist. Für die jüngsten Attacken auf Israel war auch nicht die Hamas verantwortlich, sondern Gruppen, die noch radikaler seien – so heißt es in Gaza und Jerusalem übereinstimmend.
proteste Sollte es als israelische Reaktion auf die letzten Anschläge zu weiteren Fliegerangriffen kommen, befürchtet die Hamas Proteste der Bevölkerung, die sich auch gegen das eigene Regime richten könnten, sagt ein ägyptischer Politologe. Ob die Hamas allerdings Gruppen wie den Islamischen Dschihad auf den Waffenstillstand einschwören kann, wird sich noch zeigen müssen. Sicher ist: In den ersten Tagen nach Verkündigung der Waffenruhe feuerten radikale Palästinensergruppen weiterhin Raketen auf den Süden Israels.
Vorausgegangen war der jüngsten Welle von Gewalt ein Angriff palästinensischer Terroristen auf Südisrael in der vergangenen Woche. Israels Luftwaffe bombardierte als Reaktion darauf Ziele im Gazastreifen. Dabei hatte sie die mutmaßlichen Drahtzieher der Angriffe bei Eilat, bei der sieben Israelis ums Leben gekommen waren, im Visier.
geiseln Die Raketenangriffe, die vier Tage lang fast eine Million Israelis zur Geisel radikaler Palästinenser gemacht hatten, haben einmal mehr gezeigt, wie labil die Lage nach wie vor ist. Die Attacken in der Nähe von Eilat wurden zwar von Palästinensern aus Gaza ausgeführt. Aber weil diese für ihre Angriffe den ägyptischen Sinai benutzten, macht Israel auch Ägypten für die Angriffe verantwortlich.
Konkret fordert Jerusalem von Kairo eine bessere Kontrolle der Halbinsel. Dort verüben nämlich seit dem Sturz Mubaraks Beduinenstämme vermehrt Gewalttaten. Diese Stämme stellen palästinensischen Terroristen den Sinai zur Lancierung von Angriffen gegen Israel zur Verfügung. Das sind – immer noch anhaltende – Raketenangriffe, neuerdings eben auch auf den Süden Israels. In der vergangenen Woche wurde auch ein Anschlag auf die Pipeline verübt, die neben Jordanien auch Israel mit Gas beliefert.
In Armeekreisen wird inzwischen laut über eine Änderung des Friedensvertrages mit Ägypten nachgedacht. Das Abkommen begrenzt die Zahl ägyptischer Soldaten und beschränkt die Art der Waffen auf dem Sinai, um Überraschungsangriffe auszuschließen. Die Entmilitarisierung der Halbinsel schade heute Israels Interesse, sagt etwa der Jerusalemer Politologe Elie Podeh, weil Kairo zu wenig Mittel habe, um gegen Terroristen vorzugehen; so ein Schritt wäre auch »eine Art von Geste gegenüber der Militärregierung«.
vakuum Regierungskreise in Israel befürchten, dass unter dem Kairoer Militärrat dem Frieden mit Ägypten eine harte Bewährungsprobe bevorsteht. Beobachter melden eine Zunahme von Aktivitäten des Al-Qaida-Netzwerks. Dschihad-Gruppen hätten in den letzten Wochen im Grenzgebiet zwischen Gaza, Ägypten und Israel ihren Einfluss ausgebaut.
Sie benutzen das Machtvakuum, das sich seit dem Zusammenbruch des Mubarak-Regimes im Sinai noch vergrößert habe, um die Halbinsel als Aufmarschplattform gegen Israel zu verwenden. Die Organisation hat es darauf abgesehen, einen neuen Waffengang zwischen Israel und Ägypten zu provozieren und radikale Palästinenser in Gaza aufzurüsten. Zudem hat Kairo die Beziehungen zur radikal-islamischen Hamas verbessert.
Der frühere ägyptische Präsident Mubarak hatte am Friedensvertrag mit Israel festgehalten, obwohl das Abkommen unpopulär ist. Weil ein neuer Streit zwischen Jerusalem und Kairo auch für die Durchsetzung strategischer Ziele der USA negativ wäre, bemüht sich Washington derzeit intensiv um eine Verbesserung des israelisch-ägyptischen Verhältnisses. Dass Kairo half, die Waffenruhe zu vermitteln, könnte ein erstes Ergebnis sein.