Der Bundestag hat entschieden: Menschen, die in NS-Ghettos gearbeitet haben – und für die, anders als bei Zwangsarbeitern, Sozialabgaben geleistet wurden – werden keine Rentennachzahlungen ab 1997 erhalten. Das hatte die Opposition aus Grünen, Linken und SPD gefordert, doch die Regierungskoalition hatte ihre Anträge kurz vor Pessach abgelehnt.
Nun gibt es eine Reihe von Initiativen, die die Bundesregierung dazu bewegen sollen, den hochbetagten sogenannten Ghettorentnern endlich ihre Bezüge zukommen zu lassen. »Ich werde nicht lockerlassen. Das Thema darf nicht in Vergessenheit geraten«, sagt die Linke-Abgeordnete Ulla Jelpke, die in dieser Angelegenheit eine Kleine Anfrage an die Bundesregierung vorbereitet. Dort wird noch einmal nach Lösungsvorschlägen gefragt, die im Arbeitsministerium vorbereitet worden sein sollen und die vom Sozialausschuss des Bundestags verworfen wurden.
petition Einen anderen Weg beschreitet der Bundesverband Beratung und Information NS-Verfolgte: Zum einen wird eine Onlinepetition gestartet, mit der 50.000 Unterschriften gesammelt werden sollen. »Wir wollen vor dem Petitionsausschuss unser Anliegen selbst vortragen«, sagt Jost Rebentisch, Sprecher des Verbandes. Ziel ist, durch eine Gesetzesänderung »eine rückwirkende Auszahlung der Rente ab dem 1. Juli 1997 zu ermöglichen«.
Zum anderen versuchen Rebentisch und sein Verband, über das Land Nordrhein-Westfalen eine Bundesratsinitiative zu starten. »Im Bundesrat sind die Mehrheitsverhältnisse ja anders«, sagte Rebentisch. Ob der Plan gelingt, ist nicht sicher, aber Rebentisch will nichts unversucht lassen, die Ministerin für Bundesangelegenheiten, Angelica Schwall-Düren (SPD), dafür zu gewinnen, sich für die Ghettorentner einzusetzen.
zentralrat Nach dem Entscheid des Bundestags schien die überfällige Verbesserung der Stellung der Ghettorentner zunächst nicht mehr möglich. Als »kalt und hartherzig« hatte Dieter Graumann, Präsident des Zentralrats der Juden, den Beschluss bezeichnet und darauf hingewiesen, dass diese Menschen »jahrelang mit Hoffnungen nur hingehalten worden« sind.
Auch die Claims Conference hatte sich von der Entscheidung des Bundestags zutiefst enttäuscht gezeigt. »Den hoch betagten Überlebenden wird der Anspruch auf ein Mindestmaß an Gerechtigkeit genommen«, kritisierte Julius Berman, der Vorsitzende der Organisation, die seit 1951 die jüdische Gemeinschaft bei Verhandlungen zur Entschädigung von NS-Opfern vertritt. Berman hatte trotz des Beschlusses noch einmal an die Verantwortlichen appelliert, »doch noch für eine Rückzahlung Sorge zu tragen«.
Ganz scheint die Tür nicht geschlossen zu sein. Peter Weiß, Berichterstatter der CDU/CSU-Fraktion im Sozialausschuss, sagte jetzt der Jüdischen Allgemeinen, dass er weiter »mit allen Betroffenen und Beteiligten, auch mit Repräsentanten des Staates Israel und dem Zentralrat der Juden« im Gespräch bleiben möchte. Er wolle mithelfen, »das offenkundig bei etlichen Betroffenen vorhandene Gefühl einer subjektiven Ungerechtigkeit« zu beseitigen. In der Debatte am Donnerstag, 21. März, hatte Weiß ausgeführt, es sei versicherungstechnisch zu kompliziert, das 2002 beschlossene Gesetz zu den Ghettorenten zu ändern. Zudem würden die jetzigen Rentenempfänger nicht bessergestellt, wenn sie die Bezüge rückwirkend ab 1997 erhalten würden.
rentenversicherung Das wird von den meisten Experten bestritten, wie eine Anhörung des Sozialausschusses des Bundestags im Dezember 2012 ergeben hatte. Dort hatten mit dem Thema vertraute Fachleute wie der Essener Sozialrichter Jan-Robert von Renesse erklärt, wie aus ihrer Sicht die Ghettoarbeiter endlich die ihnen zustehende Rente erhalten könnten.
Im Jahr 2002 hatte der Bundestag beschlossen, dass diesen rückwirkend ab 1997 eine Rente zusteht. Schließlich wurden während ihrer Ghettoarbeit Beiträge abgeführt. Die deutsche Rentenversicherung jedoch lehnte 90 Prozent der Anträge ab. Diese Praxis wurde im Jahr 2009 vom Bundessozialgericht aufgehoben. Die daraufhin neu gestellten Anträge wurden aber erst mit einer Zahlung ab 2005 bewilligt, weil das deutsche Rentenrecht eine Rückwirkung nur bis zu vier Jahren vorsieht.