Nach der vormittäglichen Eröffnung des »Erinnerungsortes Olympia-Attentat München 1972« hat Reuven Rivlin als erster israelischer Staatspräsident zusammen mit Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier und dem bayerischen Ministerpräsidenten Horst Seehofer (CSU) am Mittwoch vergangener Woche die KZ-Gedenkstätte in Dachau besucht.
Empfangen wurden die hohen Gäste am »Jourhaus« vom Bayerischen Kultusminister Ludwig Spaenle (CSU), von Gabriele Hammermann, der Leiterin der Gedenkstätte, von Karl Freller, Direktor der bayerischen Gedenkstättenstiftung, von Jean-Michel Thomas, Präsident des Internationalen Dachau-Komitees sowie vom Schoa-Überlebenden und Vizepräsidenten des Internationalen Dachau-Komitees, Abba Naor.
Unter den vielen Begrüßenden befanden sich bei unerwartetem Sonnenschein auch Josef Schuster, Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, Charlotte Knobloch, Präsidentin der Israelitischen Kultusgemeinde München und Oberbayern,Ernst Grube, Vorsitzender der Lagergemeinschaft, sowie Ronald S. Lauder, Präsident des Jüdischen Weltkongresses.
gesten Rivlin betrat das Terrain sachte, bedächtig – immer in seiner Nähe war Ehefrau Nechama, die sich ab und an von der deutschen Präsidentengattin Elke Büdenbender unterhaken ließ. Mit Eintritt durch das bedeutungsschwere, schmiedeeiserne »Arbeit macht frei«-Tor, verstand es Rivlin trotz der bedrückenden Momente, mit denen er konfrontiert war, fähig zu bleiben für frei und spontan gewählte Gesten – was Steinmeier und Seehofer dankbar zur Kenntnis nahmen. So ging Rivlin nicht allein durch das Tor, sondern holte sich Steinmeier an seine Seite, drückte ihn eng an sich, und so zwängten sich die beiden durch den Spalt.
Rivlin erkundigte sich beim Rundgang oft, verweilte länger als vom Protokoll vorgesehen an diesem oder jenem »Programmpunkt«. Innerhalb des Geländes und nach einem Besuch des Museums, in dem Schüler eines Dachauer Gymnasiums dem israelischen Staatspräsidenten das nationalsozialistische Lagersystem erläutert hatten und ihm Abba Naor vorgestellt worden war, ging man gemeinsam zum Internationalen Mahnmal am ehemaligen Appellplatz, wo Rivlin, Steinmeier und Seehofer auffallend lange vor den von ihnen abgelegten Kränzen in Stille verharrten.
Am »Jüdischen Mahnmal«, ganz am Ende der weit gestreckten Lagerstraße mit den hohen Pappeln rechts und links, sprach Zentralratspräsident Josef Schuster in einem weißen Zelt zu den Versammelten.
schmerz Schuster verband seine Rede eng mit der Erinnerung an den im vergangenen Jahr in München verstorbenen Max Mannheimer sel. A., der sich »Zeit seines Lebens dafür eingesetzt hat, die Erinnerung wachzuhalten und Brücken zu bauen«.
Er stellte zudem eine Verbindung her zum Münchner Olympia-Attentat von 1972, an das am Vormittag mit der Einweihung einer Gedenkstätte im Münchner Olympiapark erinnert worden war. »Diese israelischen Athleten standen hier und gedachten der sechs Millionen ermordeten Jüdinnen und Juden. Niemand hatte sich damals vorstellen können, dass diese Sportler – nur wenige Tage später – selbst ihr Leben lassen mussten.«
Schuster sprach sehr persönlich in Erinnerung an seinen Vater und Großvater, »beide wurden 1938 verhaftet und ins KZ Dachau deportiert«. Seine ersten Besuche als Kind in der KZ-Gedenkstätte Dachau, so berichtet er, habe er noch sehr genau im Gedächtnis. »Ich will hier weg!«, habe er jedes Mal deutlich vernehmen lassen, und trotzdem sei er immer wieder dorthin zurückgekehrt, »immer und immer wieder«. Er betonte: »Mein Schmerz, den der Verlust unserer sechs Millionen Brüder und Schwestern bedeutet, ist nicht in Worte zu fassen. Sie alle haben einen festen Platz in unseren Herzen.«
Am Ende sprach Rabbiner Shmuel Aharon Brodman von der IKG München und Oberbayern das Gebet El Male Rachamim, bevor der israelische Staatspräsident Reuven Rivlin für alle ergreifend, erst leise, dann in immer festerem Ton, das Kaddisch sprach.