Der israelische Parlamentspräsident Mickey Levy hat in Berlin an die Verbrechen der Nationalsozialisten erinnert und zugleich vor aktuellen Gefahren für die Demokratie gewarnt. In der Gedenkstunde des Bundestags sagte Levy am Donnerstag, im Reichstagsgebäude könne man eine Ahnung davon bekommen, wie Menschen Demokratie ausnutzen könnten, um sie zu überwinden.
»Dies ist der Ort, wo die Menschheit die Grenzen des Bösen gedehnt hat, ein Ort, wo Werteverlust einen demokratischen Rahmen in eine rassistische und diskriminierende Tyrannei verwandelt hat«, sagte Levy. «Und nun erfahren wir hier, in den Mauern dieses Hauses – stummer Zeuge aus Stahl und Stein – wieder die Zerbrechlichkeit der Demokratie, und wir werden wieder an die Pflicht erinnert, sie zu schützen.«
Das Bewahren der Erinnerung an die Schoa sei eine schwere Aufgabe, die jede Generation aufs Neue auf sich nehmen müsse, sagte Levy. Diese Erinnerung verbinde Israelis und Deutsche. Beide Nationen hätten es geschafft, das historische Trauma zu überwinden. Es gelte, aus der Erinnerung auch eine Vision zu schaffen: »Eine Zukunft die auf den Werten der Demokratie, der Freiheit und der Toleranz basiert. Werte, die Israel und Deutschland teilen.«
beziehungen Levy würdigte die besonderen Beziehungen beider Länder und das Einstehen Deutschlands für Israels Sicherheit. »Deutschland bezieht ganz entschieden Position gegen Antisemitismus, auch wenn er sich in Form von Antizionismus äußert.«
Zum Schluss seiner auf Hebräisch gehaltenen Rede verlas Levy im Angedenken an die Toten Zeilen aus einem Siddur, den er aus der Jerusalemer Holocaust-Gedenkstätte Yad Vashem entliehen hat. Das Gebetbuch habe einem deutsch-jüdischen Jungen gehört, der am 22. Oktober 1938 seine Barmizwa hatte, »kurz bevor das Leben, das er hätte leben sollen, an der in Deutschland herrschenden Realität zerbarst«, sagte Levy.
Dann stockte ihm die Stimme, er sprach das Kaddisch – und dankte im Anschluss den Abgeordneten, die sich von ihren Plätzen erhoben hatten und ihm langanhaltenden Beifall zollten. Anwesend waren auch Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier und Bundeskanzler Olaf Scholz. dpa/ja