Der Kabinettsausschuss zur Bekämpfung von Rechtsextremismus kommt am Mittwoch erstmals zusammen. Es sei das erste Mal, dass sich ein Ausschuss explizit mit diesem Thema beschäftige, sagte die Integrationsbeauftragte der Bundesregierung, Staatsministerin Annette Widmann-Mauz (CDU), in einem Interview der »Süddeutschen Zeitung« (Dienstag).
Die Koalition hatte sich Anfang März unter anderem nach den Anschlägen in Halle und Hanau auf die Einsetzung eines solchen Ausschusses verständigt. Den Vorsitz übernahm Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU). Weitere Mitglieder sind unter anderem Außenminister Heiko Maas, Bundesfamilienministerin Franziska Giffey, Bundesjustizministerin Christine Lambrecht (alle SPD) sowie die Kulturstaatsministerin Monika Grütters und Widmann-Mauz (beide CDU).
Widmann-Mauz kritisierte, dass die Politik zum Thema Rassismus zu lange geschwiegen habe. Es reiche nicht, rechtsextremistische Ausschreitungen und Gewaltexzesse anzusprechen. »Wir müssen den ideologischen Nährboden für diese Straftaten austrocknen.« Sie sagte, dass es Rassismus auch in Bereichen des Staates gebe. Das betreffe nicht nur Sicherheitsbehörden, sondern alle Behörden, Schulen, die Bundeswehr und die Politik.
BEDROHUNGSLAGE Maximilian Kall, Sprecher des Bundesjustizministeriums, verwies auf ein Gesetzespaket zur Bekämpfung von Rechtsextremismus und Hasskriminalität, das derzeit im Bundestag beraten werde. Insgesamt gebe es eine »unverändert hohe Bedrohungslage durch Rechtsterrorismus«. In der Corona-Krise hätten sich durchmischte Szenen gebildet, in denen Verschwörungstheorien kursierten. Sie zeichneten sich vielfach durch eine massive Israelfeindlichkeit, Rassismus, Antisemitismus und Hass gegenüber Asiaten aus. Kall äußerte sich bei einer Videokonferenz, die vom Mediendienst Integration veranstaltet wurde.
Der Geschäftsführer der Amadeu Antonio Stiftung, Timo Reinfrank, forderte mehr Engagement zur Bekämpfung von Rechtsextremismus. Die Ideologie vieler Rechtsextremisten richte sich inzwischen nicht mehr nur gegen Muslime und Juden, sondern gegen die liberale Demokratie schlechthin. Er plädierte dafür, die Konzepte mit konkreten Zielen zu versehen. Eine Selbstverpflichtung könne lauten, die rechtsextreme Gewalt in den nächsten fünf Jahren um die Hälfte zu reduzieren.
»FEINDESLISTEN« Reinfrank forderte auch Strafbarkeit für das Veröffentlichen sogenannter Feindeslisten. Rechtsextremisten hatten mit solchen Listen, auf denen politische Gegner genannt würden, für Angst gesorgt. Reinfrank gehört zu den Autoren, die für den Mediendienst Integration Forderungen zusammengetragen haben, die an den Kabinettsausschuss gerichtet sind.
Ähnlich äußerte sich Co-Autorin Nadiye Ünsal vom Migrationsrat. Die rechtsextreme Szene wachse seit Jahrzehnten. Sie vermisse eine »ganzheitliche Herangehensweise« zur Bekämpfung. Dazu gehöre auch, die Opferseite stärker einzubeziehen. Täter würden oft als verwirrte Einzeltäter bezeichnet, sie seien aber in der Regel in Nazistrukturen vernetzt. kna