Ein neues Schiedsgericht soll aus Sicht von Bund, Ländern und kommunalen Spitzenverbänden die Rückgabe für nationalsozialistisches Raubgut in Deutschland erleichtern. Das Bundeskabinett stimmte einer entsprechenden Reform des Verfahrens zu. Zuletzt hatten Anwälte, Historiker und Erben von Geschädigten die geplanten Neuerungen in einem Brief an Kanzler Olaf Scholz kritisiert.
Den Plänen von Kulturstaatsministerin Claudia Roth (Grüne) zufolge soll das neue Schiedsgericht künftig abschließend entscheiden, wenn Rückgaben von NS-Raubgut nach einem Vorverfahren zwischen den Parteien strittig bleiben. Zentral dabei ist die sogenannte geplante »einseitige Anrufbarkeit«.
»Einseitige Anrufbarkeit«
Bisher müssen beide Parteien der Anrufung einer Beratenden Kommission zustimmen, also sowohl die Nachfahren der ehemaligen Besitzer als auch die Museen oder deren Träger. Künftig soll das Schiedsgericht Fälle auch dann behandeln, wenn nur die Nachfahren dies möchten.
Es soll dabei die »Beratende Kommission im Zusammenhang mit der Rückgabe NS-verfolgungsbedingt entzogenen Kulturguts, insbesondere aus jüdischem Besitz« ersetzen, die bislang bei Differenzen über die Rückgabe NS-verfolgungsbedingt entzogener Kulturgüter vermittelt.
»Relevante Akteure«
Roth sagte laut Mitteilung: »Deutschland wird seiner historischen Verantwortung durch die Reform der Beratenden Kommission besser gerecht.«
Bei der heutigen Regierungspressekonferenz erklärte Regierungssprecher Steffen Hebestreit, die Entscheidung sei mit allen relevanten Akteuren, insbesondere mit dem Zentralrat der Juden und der Jewish Claims Conference abgestimmt worden.
»Die Einigung zwischen Bund allen 16 Ländern sowie den kommunalen Spitzenverbänden zur Errichtung einer gemeinsamen Schiedsgerichtsbarkeit NS-Raubgut sichert uns ein politisch harmonisiertes Verfahren in Deutschland zur weiteren Umsetzung der Washingtoner Prinzipien von 1998 und der Gemeinsamen Erklärung von 1999«, so Hebestreit. Die Weiterentwicklung der 2003 eingerichteten beratenden Kommission sei ein wichtiger Schritt bei der Aufarbeitung der NS-Terrorherrschaft durch Deutschland.
Verschlechterung der Situation
»Die Bundesregierung setzt damit ein Vorhaben aus dem Koalitionsvertrag um, das insbesondere die Rechte der Opfer und ihrer Nachfahren in strittigen Restitutionsfällen stärkt.« Deutschland begegne mit diesem Verwaltungsabkommen nicht zuletzt der national und auch international vorgebrachten Kritik am bisherigen Verfahren und schließe damit zu Ländern wie Frankreich oder den Niederlanden auf, erklärte der Regierungssprecher.
In dem offenen Brief hatten die Unterzeichner die Bundesregierung dazu aufgerufen, das Vorhaben nicht noch vor den Neuwahlen im Kabinett zu beschließen. Unter anderem wurde kritisiert, dass sich durch das geplante Schiedsverfahrensrecht die Situation der Opfer verschlechtere.
Die Jewish Claims Conference begrüßte den Beschluss der Regierung. Gideon Taylor, Präsident der Claims Conference, erklärte: »Deutschland macht damit einen Schritt nach vorn bei der Aufarbeitung dieses Teils seiner Geschichte. Der nächste wichtige Schritt ist jedoch ein Restitutionsgesetz, das den Familien den Zugang zu einem fairen und gerechten Verfahren verbessert, wie es in den Washingtoner Prinzipien und den Best Practices on Nazi Looted Art vorgesehen ist.« dpa/ja