Herr Klein, Sie sind Beauftragter der Bundesregierung für jüdisches Leben in Deutschland und den Kampf gegen Antisemitismus. Wie ausgewogen können Sie diese beiden Themen behandeln?
Der ganz große Schwerpunkt liegt leider beim Antisemitismus. Das Thema betrifft alle Bereiche der Politik: von der Inneren Sicherheit über Bildung bis hin zu Kunst und Kultur – Stichwort documenta. Aber auch abseits von akuten, antisemitischen Vorfällen bin ich viel mit dem Thema beschäftigt. Ich möchte aber auch als Beauftragter für jüdisches Leben wahrgenommen werden und dahingehend Prozesse anstoßen.
War das auch ein Grund, den »Ehrenamtspreis für jüdisches Leben in Deutschland« ins Leben zu rufen, der in diesem Jahr erstmals vergeben wird?
Genau. Die vergangenen vier Jahre meiner Amtszeit haben mir gezeigt, dass es eine Vielzahl von Initiativen gibt, die sich um die Sichtbarmachung jüdischen Lebens bemühen. Auch dort, wo es keines mehr gibt. Dort geht es dann eher um Spurensuche. Das Engagement ist größtenteils ehrenamtlich. Diese Leute habe ich im Blick, und es gibt sie wirklich überall in Deutschland. Sie möchte ich motivieren, diese wichtige Arbeit für unsere Gesellschaft weiter zu leisten.
Warum ist das Ehrenamt so wichtig?
Die Politik allein kann den gesellschaftlichen Frieden nicht sicherstellen. Wir brauchen auch eine Zivilgesellschaft, die mutig ist, die aufsteht. Es gibt jetzt eine Deutsche Stiftung für Engagement und Ehrenamt. An dieser Initiative, die die Bundesregierung unterstützt, möchte ich mich mit dem Preis beteiligen.
An wen richtet sich die Auszeichnung konkret, und was ist das Besondere an ihr?
Es gibt zwei Kategorien, die jeweils mit 5000 Euro dotiert sind: Eine Kategorie richtet sich an Menschen unter 27 Jahren, die andere ist ohne Altersbeschränkung. Gefordert sind keine intellektuellen Werke wie Bücher oder Ähnliches. Der Preis ist für Einzelpersonen, Vereine, Initiativen oder Gruppen, die sich überwiegend ehrenamtlich engagieren. Oft sind es auch Nichtjuden, die diese Arbeit leisten. Jüdisch zu sein, ist daher kein Auswahlkriterium.
Tragen die Medien eine Mitschuld daran, dass Themen zum jüdischen Leben eher unsichtbar bleiben?
Über antisemitische Vorfälle muss berichtet werden. Daran sollten wir alle Interesse haben. Nur werden empörende Themen von den Medien eher aufgegriffen als Dinge, die schön sind und gut laufen. Andererseits liegt es auch daran, dass sich jüdisches Leben bislang in der Regel eher im Stillen vollzogen hat. Aus Sicherheitsgründen und vor dem Hintergrund unserer Geschichte kann man das absolut verstehen, aber durch Initiativen wie zum Beispiel »1700 Jahre jüdisches Leben in Deutschland« scheint sich das nun zu ändern – zum Glück.
Mit dem Beauftragten der Bundesregierung für jüdisches Leben und den Kampf gegen Antisemitismus sprach Lilly Wolter.