Berlin

Jüdische Stimmen zur Asyl-Abstimmung: Ein Überblick

Hanna Veiler, Präüsidentin der Jüdischen Studierendenunion Foto: JSUD

Das gestrige Vorgehen der Unionsparteien im Bundestag in Zusammenhang mit ihrem Antrag zur Verschärfung der Migrationspolitik führt zu heftigen Diskussionen. Der Grund: Mit Stimmen der AfD wurde der Antrag durchgesetzt. Selbst einige Unionspolitiker, aber auch Juden und jüdische Organisationen kritisieren den CDU-Vorsitzenden Friedrich Merz dafür.

»Demokratische Grundsätze sind kein politisches Verhandlungsmittel«, erklärte die Jüdische Studierendenunion Deutschland (JSUD) in einer Stellungnahme. Zwar vertrete die Organisation das gesamte demokratische Spektrum. »Gleichzeitig stellen wir uns gegen jede Form des Extremismus und gegen jegliche Zusammenarbeit mit Parteien und Akteuren, die menschenfeindliche Weltbilder und Ideologien vertreten. Die AfD ist eine strukturell antisemitische, offen rassistische und rechtsextreme Partei«, stellte die JSUD klar.

Mit Faschisten, Antisemiten und Extremisten dürfe es keine Art der Kooperation geben. »Die Brandmauer ist eingerissen. Dies steigert die Verantwortung jedes einzelnen Parlamentariers in kommenden Entscheidungen.«

Kritik von Holocaust-Überlebenden

Die Holocaust-Überlebende Eva Umlauf gehört ebenfalls zu den Kritikern des Vorgehens der Union im Bundestag. Die gestrige Abstimmung der Union mit der AfD habe die demokratische Brandmauer erschüttert. »Doch am Freitag könnte zum ersten Mal in der Nachkriegsgeschichte ein Gesetz im Bundestag gemeinsam mit Rechtsextremen verabschiedet werden«, warnte Umlauf. »Die Brandmauer könnte niedergerissen werden. Tun Sie das nicht.«

Christoph Heubner, der Exekutiv-Vizepräsident des Internationalen Auschwitz Komitees, sagte der Jüdischen Allgemeinen, Holocaust-Überlebende seien verunsichert und traurig. »Sie fragen sich, warum in Deutschland eine Partei ins Zentrum der politischen Entscheidungen rückt, aus deren Reihen immer wieder rechtsextreme, antidemokratische und antisemitische Schmähungen bekannt werden.«

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Auch fragten sie sich, »warum der Vorsitzende einer großen konservativen Partei, die bisher die Lehren aus der Geschichte des Holocaust und die Würde und die Lebensleistung der Holocaust-Überlebenden geachtet hat, plötzlich die Zusammenarbeit mit einer Partei für akzeptabel hält, die die Lehren aus der Geschichte des Holocaust auf den Müllhaufen bugsieren und die Erinnerungen und das Engagement der Holocaust-Überlebenden aus dem gesellschaftlichen Leben in Deutschland hinausdrängen will«.

Laut Heubner ist der gestrige Tag daher »der Tag eines fatalen Irrtums«: »Schon einmal hat man in Deutschland geglaubt, Rechtsextreme einhegen, zähmen und benutzen zu können. Die Folgen sind bekannt«, erklärte er.

»Bilder jubelnder AfD-Abgeordneter«

Das AJC Berlin rief die demokratischen Parteien zu Zusammenhalt auf. Direktor Remko Leemhuis kritisierte den Ablauf des Tages im Bundestag: »Wir fanden es bereits nicht angemessen, dass der Bundestag nach der Gedenkstunde für die Opfer des Nationalsozialismus und kurz nach dem 80. Jahrestag der Befreiung des Konzentrationslagers Auschwitz überhaupt zur üblichen parlamentarischen Arbeit übergegangen ist und keinen Raum für eine Debatte über die Rede gelassen hat.«

Gerade nach der tief berührenden Rede des Schoa-Überlebenden Roman Schwarzman wäre ein Innehalten angebracht gewesen, so Leemhuis. »Es ist zutiefst bedauerlich, dass aber durch das Abstimmungsergebnis und sein Zustandekommen seine Rede keinerlei Aufmerksamkeit mehr erhalten hat und der gestrige Tag ausgerechnet mit den Bildern jubelnder AfD-Abgeordneter zu Ende gegangen ist.«

Auch äußerte sich Leemhuis zur am Freitag geplanten Abstimmung zum Stellung Zustrombegrenzungsgesetz: »Wir appellieren vor diesem Hintergrund eindringlich an alle Parteien der demokratischen Mitte, zu verhindern, dass morgen und auch in Zukunft Mehrheiten nur mit der AfD möglich sind. Wie bei vielen anderen Themen muss es immer das Ziel der demokratischen Mitte sein, konstruktiv über Parteigrenzen hinweg zusammenzuarbeiten. Gerade bei wichtigen und drängenden Themen, die ohne Zweifel viele Menschen beschäftigen, ist dies umso dringender.«

Antisemitismusbeauftrage der Union verteidigt Merz

Daniela Ludwig, die Beauftragte der CDU/CSU-Bundestagsfraktion für jüdisches Leben in Deutschland und für die Beziehungen zum Staat Israel, verteidigte das Vorgehen der Union im Bundestag hingegen. Sie appellierte »an die politische Mitte im Parlament«, am Freitag geschlossen für die Sicherheit in Deutschland zu stimmen.

Nach den Anschlägen in Mannheim, Solingen, Magdeburg und in jüngster Zeit Aschaffenburg sei jetzt nicht mehr die Zeit für Sonntagsreden, sondern es müssten endlich Taten folgen, um die illegale Migration zu stoppen und den Schutz der Bevölkerung zu gewährleisten. Das Zustrombegrenzungsgesetz, das am Freitag debattiert und beschlossen werden soll, bietet Daniela Ludwig zufolge »die entscheidende Chance, das Heft des Handelns wieder in die Hand zu nehmen«.

»Wir übernehmen in dieser Woche im Parlament die Initiative für einen grundlegenden Politikwechsel in der Inneren Sicherheit, für sichere Grenzen und die Begrenzung der illegalen Migration. Unsere Demokratie ist in Gefahr, wenn Extremisten an die Macht kommen. Aber die Extremisten als Ausrede dafür zu benutzen, lieber nicht zu handeln und zu riskieren, dass sich die Lage weiter zuspitzt, ist brandgefährlich«, so die CSU-Politikerin.

»Es ist jetzt an der Zeit, dass SPD und Grüne ihre gefährliche Blockadehaltung aufgeben und endlich Rückgrat für Sicherheit, Ordnung und Rechtsstaatlichkeit beweisen.«

Altkanzlerin Merkel kritisiert Merz

Andere Unionspolitiker, darunter die frühere Bundeskanzlerin Angela Merkel, äußerten hingegen die Ansicht, eine Mehrheit mit den Stimmen der AfD zu ermöglichen, sei falsch.

Der Zentralrat der Juden teilt diese Ansicht. »Ich finde es enttäuschend, dass die demokratischen politischen Kräfte in unserem Land – auch in Zeiten des Wahlkampfs - nicht in der Lage waren, sich auf ein gemeinsames Vorgehen zu einigen und damit der AfD diese Bühne bereitet haben«, sagte Josef Schuster, der Vorsitzende der jüdischen Dachorganisation, dieser Zeitung.

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