Der Zentralrat der Juden in Deutschland und zahlreiche weitere jüdische Organisationen haben sich in einem gemeinsamen Aufruf gegen die Wahl der Partei »Alternative für Deutschland« (AfD) bei der Bundestagswahl ausgesprochen. »Wählen Sie am 26. September 2021 eine zweifelsfrei demokratische Partei und helfen Sie mit, die AfD aus dem Deutschen Bundestag zu verbannen«, heißt es in dem am 9. September veröffentlichten Appell.
»RELIGIONSFEINDLICH« Bei der Wahl entscheide sich, ob die AfD erneut im »Bundestag, dem Herzen unserer Demokratie, ihr Unwesen treiben kann. Eine Partei, in der Antisemiten und Rechtsextreme eine Heimat gefunden haben. Eine Partei, bei der der Verfassungsschutz aus gutem Grund genauer hinschaut. Eine Partei, in der Antisemitismus, Rassismus und Menschenfeindlichkeit ihren Nährboden finden.« Der Aufruf wurde von 60 jüdischen Verbänden unterstützt.
Weiter heißt es dort: »Die AfD ist nach unserer Überzeugung eine radikale und religionsfeindliche Partei. Politiker der Partei relativieren die Schoa. Sie betrachten Minderheiten als minderwertig und spalten unsere Gesellschaft. Die AfD stellt sich gegen die Europäische Union und damit gegen das europäische Friedensprojekt. Die AfD ist keine Alternative bei der Bundestagswahl!«
Zu den Mitunterzeichnern gehören unter anderem der Jüdische Weltkongress (WJC), der Europäische Jüdische Kongress (EJC), die Claims Conference, die Orthodoxe Rabbinerkonferenz Deutschland (ORD), Makkabi Deutschland, die ZWST, die Union progressiver Juden, das Abraham-Geiger-Kolleg, das Rabbinerseminar Berlin, die Jüdische Hochschule in Heidelberg sowie die verschiedenen Landesverbände der jüdischen Gemeinden in Deutschland.
STIGMATISIERUNG Ausdrücklich hervorgehoben werden in dem Text Aspekte aus dem Wahlprogramm der AfD. Dort gehe es der Partei nicht um »die Bedürfnisse der Juden im Land«, sondern darum, Muslime als eine Bedrohung für jüdisches Leben zu stigmatisieren.
»Juden dienen im Programm der AfD einzig und allein dazu, den antimuslimischen Ressentiments der Partei Ausdruck zu verleihen«, so der Text der Erklärung. Die AfD schiebe Juden nur vor, »um ihre rassistischen und antimuslimischen Parolen unter das Volk zu bringen. Aber dieses Feigenblatt wollen und werden wir nicht sein.«
In Anspielung auf eine Aussage des AfD-Bundestagsfraktionsvorsitzenden Alexander Gauland heißt es weiter: »Die Zeit der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft mit Millionen getöteter Juden, Sinti und Roma, Homosexueller und politisch Verfolgter ist für den Fraktionsvorsitzenden der AfD lediglich ein ›Vogelschiss‹. Die darin zum Ausdruck gebrachte Haltung verharmlost in unerträglicher Weise die Gräuel der Geschichte.«
ALLIANZEN Zudem zeigten sich AfD-Politiker bei Querdenker-Demos Seite an Seite mit Hooligans und Rechtsextremen. »Wir, die unterzeichnenden jüdischen Verbände und Organisationen und die Jüdinnen und Juden in Deutschland sind so vielseitig wie dieses Land. Wir haben unterschiedliche Hintergründe, Lebensgeschichten und Muttersprachen. Wir vertreten verschiedene Einstellungen und politische Positionen. Wir sind geprägt von unterschiedlichen Lebensrealitäten. Was uns jedoch alle eint, ist unsere Überzeugung, dass die AfD eine Gefahr für unser Land ist.«
Bereits vor der letzten Bundestagswahl hatte es einen ähnlichen Aufruf gegeben - damals hatten ebenfalls zahlreiche jüdische Verbände gegen eine Stimmabgabe für die AfD plädiert. Allerdings schaffte die Partei es nicht nur in den Bundestag, sondern wurde auch auf Anhieb stärkste Oppositionsfraktion. In den aktuellen Umfragen liegt die Rechtsaußenpartei bei 11 Prozent, würde aber nur fünftstärkste Kraft im neuen Parlament werden. mth