Die Diskussion um das umstrittene »Judensau«-Relief an der Fassade der Wittenberger Stadtkirche geht weiter. Am Mittwoch plädierte der Antisemitismusbeauftragte der Bundesregierung, Felix Klein, dafür, die Schmäh-Skulptur zu entfernen.
Die Stadtkirchengemeinde sieht sich indes als »Erbin eines schwierigen Erbes, das nicht entsorgt werden soll, sondern als ein Geschichtszeugnis an Geschichte erinnern und über Geschichte aufklären soll«. Stadtkirchenpfarrer Johannes Block sagte, er setze sich für eine Weiterentwicklung dieser »Stätte der Mahnung« ein, die durch »eine künstlerisch zu gestaltende Wegmarke der Versöhnung« ergänzt werden sollte.
antijudaismus »Meiner Einschätzung nach gehört die Judensau ins Museum«, sagte Klein dem »RedaktionsNetzwerk Deutschland« (Mittwoch). Klein fügte hinzu: »An der Stelle, an der sich die Judensau jetzt befindet, sollte eine Hinweistafel angebracht werden. Die Tafel sollte aussagen, dass die evangelische Kirche mit der Entfernung der Judensau einen sichtbaren Beitrag zur Überwindung von Antijudaismus und Antisemitismus leistet.«
Pfarrer Block sagte: »Niemand in der Stadtkirchengemeinde ist glücklich über dieses Erbe. Ich teile das Entsetzen und den Schmerz über die Verspottung und Verunglimpfung des Judentums aus dem 13. Jahrhundert.« Seit 1988 sei die Schmähplastik aber kein Solitär mehr, sondern Teil einer »Stätte der Mahnung«, die auch von jüdischen Stimmen anerkannt werde.
Das Landgericht Dessau-Roßlau hatte Ende Mai entschieden, dass die Plastik vorerst an der Fassade der Stadtkirche Wittenberg hängen bleiben darf.
Eine Gedenktafel und eine Hinweistafel seien »Ausdruck der Trauer und der Distanzierung von der Geschichte des Antijudaismus und des Antisemitismus«. Die Gemeinde habe sich entschieden, das Erbe dieser Schmähplastik nicht zu verleugnen, sondern mit dem Originalstück am Originalplatz Geschichte zu präsentieren und aufzuarbeiten.
klage Durch eine laufende Klage sehe sich die Stadtkirchengemeinde in eine Position gerückt, als sei sie Befürworterin oder gar Auftraggeberin der Schmähplastik, fügte Block hinzu. Das Landgericht Dessau-Roßlau hatte Ende Mai entschieden, dass die Plastik vorerst an der Fassade der Stadtkirche Wittenberg hängen bleiben darf.
Das Vorhandensein des rund 700 Jahre alten Reliefs könne nicht als Kundgabe der Nichtachtung oder Missachtung gegenüber Juden in Deutschland verstanden werden, urteilte das Gericht. Es bestehe kein Beseitigungsanspruch seitens des jüdischen Klägers. Der Kläger Michael Düllmann hat gegen das Urteil Berufung eingelegt. Die Berufungsverhandlung vor dem Oberlandesgericht Naumburg wurde auf den 21. Januar 2020 terminiert.
Das Sandsteinrelief war um das Jahr 1300 an der Südfassade der Stadtkirche angebracht worden. Es zeigt eine Sau, an deren Zitzen sich Menschen laben, die Juden darstellen sollen. Ein Rabbiner blickt dem Tier unter den Schwanz und in den After. Schweine gelten im Judentum als unrein. Ähnliche Spottplastiken finden sich an mehreren Dutzend weiteren Kirchen in Deutschland. epd