Studie

Judenhass wird sekundär

Alltäglicher Antisemitismus: Judenstern, in Brachstedt, Saalekreis, an eine Mauer gesprüht Foto: imago

Immerhin eine »schöne Nachricht« hatte der Soziologe Andreas Zick parat: Nur noch 2,4 Prozent der deutschen Bevölkerung sind als stark rechtsextrem zu bezeichnen, 2012 waren es noch neun Prozent. Das blieb aber schon das einzig Positive, das Zick und sein Kollege Ralf Melzer vergangene Woche in Berlin bei der Präsentation der Studie »Fragile Mitte« der Friedrich-Ebert-Stiftung vortragen konnten.

Der Befund vom Rückgang dessen, was Forscher als »klassischen Antisemitismus« bezeichnen, geht einher mit dem Konstatieren des Anstiegs anderer Formen des Judenhasses. Gerade Mitte 2014, als Israel militärisch gegen die Hamas vorging, stieg der Antisemitismus deutlich an. Melzer spricht von einem »Gaza-Effekt«: Viele Deutsche, auch aus der sozialen und politischen Mitte, aktivierten da ihren latenten Hass auf Juden. Im Ergebnis kommt es zu sogenannter »Israelkritik« – mit den klassischen Stereotypen.

verbrechen Der Behauptung etwa, Israel führe einen »Vernichtungskrieg gegen die Palästinenser«, stimmten 2014 fast 40 Prozent der Deutschen zu. Die Aussage, wegen Israels Politik könne man »gut verstehen, dass man etwas gegen Juden hat«, unterstützt mehr als ein Viertel der Befragten, und mehr als 55 Prozent ärgern sich darüber, »dass den Deutschen auch heute noch die Verbrechen an den Juden vorgehalten werden«.

Dass sie dennoch von einem Rückgang des Antisemitismus im Allgemeinen sprechen, erklären die Wissenschaftler damit, dass sich der Wert von nur 2,4 Prozent offen Rechtsextremen bloß auf Menschen bezieht, »die sich bei allen abgefragten Werten zustimmend äußern«. So gibt es mehr als zehnprozentige Zustimmungen zu Sätzen wie: »Die Weißen sind zu Recht führend in der Welt«, oder dass Gewalt gegen Einwanderer gerechtfertigt sei. Ebenfalls mehr als zehn Prozent sind der Meinung, dass Juden »in Deutschland zu viel Einfluss« hätten. Die Schnittmenge derer, die solche Aussagen tätigen, ist allerdings gering.

muslime Repräsentativ befragt wurden circa 2000 Menschen, 50 davon bezeichneten sich als Muslime, was auch in etwa dem Anteil an der deutschen Bevölkerung entspricht. Bei diesem Datensatz sind sichere Aussagen kaum zu treffen. Mit aller Vorsicht spricht Andreas Zick davon, Muslime in Deutschland seien »ein bisschen rassistischer und ein bisschen sexistischer«; Rechtsextremismus und Ausländerfeindlichkeit hingegen fänden sich hier seltener.

Belastbareres Material zu dieser Frage wurde 2012 erhoben, und die jetzigen Daten legen nahe, dass sich wenig geändert hat: Damals konnte mit etwa 16 Prozent bei Muslimen ein überdurchschnittlich hoher klassischer Antisemitismus konstatiert werden, der sogenannte sekundäre Antisemitismus hingegen war unterdurchschnittlich, am größten war er bei der Gruppe der Katholiken.

Entscheidung

Uni Jena lehnt Prüfung von Kontakten mit israelischen Hochschulen ab

Die Friedrich-Schiller-Universität Jena wird Kooperationen mit israelischen Hochschulen nicht auf mögliche Verbindungen zum Militär überprüfen. Der Senat lehnte einen entsprechenden Antrag von Teilen der Professorenschaft ab

 27.11.2025

Berlin

Der falsche Konsens

Der israelische Militärhistoriker Danny Orbach stellt im Bundestag eine Studie und aktuelle Erkenntnisse zum angeblichen Genozid im Gazastreifen vor – und beklagt eine einseitige Positionierung von UN-Organisationen, Wissenschaft und Medien

 27.11.2025

Berlin

Prozess um Angriff am Holocaust-Mahnmal: »Tat zugegeben«

Polizisten berichten von der Begegnung mit dem Angeklagten wenige Stunden nach der Tat

 27.11.2025

Debatte um Hamas-Nähe

Mitglieder des ZDF-Kontrollgremiums fordern Konsequenzen

Nachdem ein mutmaßlicher Terrorist über eine Partnerfirma an Produktionen des öffentlich-rechtlichen Senders mitgewirkt hat, soll der Fall nun parlamentarisch aufgearbeitet werden

 27.11.2025

Berlin

Späte Gerechtigkeit? Neue Schiedsgerichte zur NS-Raubkunst

Jahrzehnte nach Ende der Nazi-Zeit kämpfen Erben jüdischer Opfer immer noch um die Rückgabe geraubter Kunstwerke. Ab dem 1. Dezember soll es leichter werden, die Streitfälle zu klären. Funktioniert das?

von Cordula Dieckmann, Dorothea Hülsmeier, Verena Schmitt-Roschmann  27.11.2025

USA

Staatsanwaltschaft rollt den Fall Etan Patz neu auf

Der jüdische Junge Etan Patz verschwindet am 25. Mai 1979 auf dem Weg zur Schule. Jahre später wird er für tot erklärt

 26.11.2025

Urteil

Verbot des Berliner Palästina-Kongresses war rechtswidrig

Das Berliner Verwaltungsgericht hat das Verbot eines Palästina-Kongresses nachträglich für rechtswidrig erklärt

 26.11.2025

Hans-Jürgen Papier

»Es ist sehr viel Zeit verloren gegangen«

Der ehemalige Präsident des Bundesverfassungsgerichts zieht eine Bilanz seiner Arbeit an der Spitze der »Beratenden Kommission NS-Raubgut«, die jetzt abgewickelt und durch Schiedsgerichte ersetzt wird

von Michael Thaidigsmann  26.11.2025

Wehrpflicht

Freiheit gemeinsam verteidigen

Russlands Angriffskrieg unterstreicht die Notwendigkeit einer starken Bundeswehr. Wenn die Situation es erfordert, dann müssen auch wir Juden bereit sein, unseren Beitrag zu leisten

von Josef Schuster  26.11.2025