Meinung

Judenhass im Feuilleton

Ein Fall in Thüringen zeigt: Antisemitismus macht auch vor der Hochkultur nicht Halt

von Reinhard Schramm  30.07.2018 20:22 Uhr

Reinhard Schramm Foto: Michael Reichel

Ein Fall in Thüringen zeigt: Antisemitismus macht auch vor der Hochkultur nicht Halt

von Reinhard Schramm  30.07.2018 20:22 Uhr

Die Frage, was die Gesellschaft gegen Antisemitismus tun kann, stellt sich in diesen Tagen immer häufiger und drängender. Eine Antwort lautet: Begegnungen und Dialog verstärken, jüdisches Leben und jüdische Kultur in die Öffentlichkeit tragen, den kulturellen, wissenschaftlichen und wirtschaftlichen Beitrag der Juden in ihrer deutschen Heimat verdeutlichen.

In Thüringen spüren wir, dass sich Staat und Gesellschaft um das jüdische Erbe sorgen und die Landesgemeinde unterstützen. Es gibt etwa die Jüdisch-Israelischen Kulturtage, die Achava-Festspiele und den Yiddish Summer. Zugleich aber ringen wir mit Rechtsrock-Konzerten in Themar und mit der Thüringer AfD und ihrem hessischen Vorsitzenden Björn Höcke. Und wir müssen erleben, dass Antisemitismus auch da auftaucht, wo viele ihn nicht vermutet hätten – in der Hochkultur.

mantra In der »Thüringer Allgemeinen« und der »Thüringer Landeszeitung« hat die Musikkritikerin Ursula Mielke am 23. Juli unter dem Titel »Mantra für den Frieden« den Leiter des Yiddish Summer, Alan Bern, und das Wesen des Kadya-Jugendchorprojekts unter Leitung von Yair Dalal angegriffen. Zur Kultur des Yiddish Summer gab sie zu verstehen: »Künstlich muss man nichts, aber auch gar nichts am Leben erhalten.«

Mielke begreift in ihrer geschmacklosen Philippika die Ursache für die Thüringer Festivals zu jüdischer Kultur nicht als Wesenszug unserer Demokratie, sondern sie sieht sie im Fehlen eines Schlussstrichs unter die Gräuel des Holocaust – »weil alle Welt glaubt, dass wir Deutschen immer noch humanitäre Schulden aus dem Zweiten Weltkrieg zu begleichen hätten«.

erinnerungskultur Ausgerechnet in die feuilletonistische Betrachtung eines jüdischen Musikfestivals werden AfD-Thesen zur 180-Grad-Wende in der Erinnerungskultur platziert.

Beide Zeitungen haben sich mittlerweile entschuldigt, sie hätten die Äußerungen übersehen, weil sie sie nicht in einer Konzertkritik vermutet hatten. Zudem wird Frau Mielke künftig für die Blätter des Verlags nicht mehr schreiben. Dass die Entschuldigungen der Chefredaktionen ehrlich sind, glaube ich.

Doch ist Kritik berechtigt und hilfreich. Denn der Fall zeigt: Antisemitismus taucht überall auf.

Der Autor ist Vorsitzender der Jüdischen Landesgemeinde Thüringen in Erfurt.

Österreich

FPÖ vor Machtübernahme in Wien: Ein Signal für Deutschland?

Was die Entwicklungen im Nachbarland für Deutschland bedeuten könnten

von Jörg Ratzsch, Matthias Röder  07.01.2025

Umfrage

Studie zeigt verbreitete Juden- und Islamfeindlichkeit in Österreich

Eine Untersuchung der Universität Wien zeigt, dass in Österreich Antipathien gegen Islam und Judentum in der Gesellschaft häufig sind

 07.01.2025

Frankreich

Paris gedenkt Anschlag auf »Charlie Hebdo«

Vor zehn Jahren starben bei Anschlägen auf die Zeitschrift »Charlie Hebdo« und einen koscheren Supermarkt in Paris 17 Menschen

 07.01.2025

Nachruf

Nicht anschlussfähig und offen antisemitisch

Jean-Marie Le Pen, Gründer und langjähriger Chef des Front National, ist im Alter von 96 Jahren gestorben

von Alexander Brüggemann, Michael Thadigsmann  07.01.2025

Restitutionsdebatte

Nachfahren fordern besseres Rückgaberecht für NS-Raubgut

Die Regierung würde gern noch schnell ein Schiedsverfahrensrecht für die Restitution von NS-Raubgut einsetzen. Dagegen wenden sich nun Angehörige von früheren Besitzern

von Stefan Meetschen  07.01.2025

Berlin

Influencer soll wegen Raketenschuss zügig angeklagt werden

Seine Aktion zu Silvester hat für Empörung gesorgt - und den Mann aus dem Westjordanland ins Gefängnis gebracht. Da will er schnell wieder raus. Auch die Justiz hat es eilig

 07.01.2025

Medien

Presseschau zur Situation in Österreich: »Kickl ist ideologisch näher bei Höcke als bei Weidel«

Zahlreiche Medien kommentieren den Auftrag der rechtsextremen FPÖ zur Regierungsbildung in Österreich. Eine Auswahl

 07.01.2025

Nahost

Amnesty gegen Amnesty

Laut einem Bericht der »Jerusalem Post« hat die Menschenrechtsorganisation ihre israelische Sektion ausgeschlossen

 07.01.2025

Meinung

Treitschke ist nicht »umstritten«

Die CDU in Berlin-Steglitz weigert sich, den eindeutigen Antisemitismus des Historikers anzuerkennen – und macht sich damit im Streit um einen Straßennamen unglaubwürdig

von Sebastian Leber  07.01.2025