Im ersten Halbjahr 2018 hat die Berliner Recherche- und Informationsstelle Antisemitismus (RIAS) durchschnittlich drei antisemitische Vorfälle pro Tag registriert: 527 gemeldete Taten belegen das konstant hohe Niveau. Im Vorjahreszeitraum waren es 514 Fälle.
Während quantitativ keine besondere Zunahme in der seit 2015 geführten Meldestatistik zu verzeichnen ist, so gibt doch die deutliche Zunahme aggressiver gemeldeter antisemitischer Angriffe und Bedrohungen Anlass zur Sorge. »Gewalttätiger und gezielter« seien die Vorfälle geworden, erklärte RIAS-Projektleiter Benjamin Steinitz.
Häufung 50 Prozent mehr Angriffe gegen Personen wurden registriert, ebenfalls mehr Fälle beleidigenden und verletzenden Verhaltens, aber weniger gezielt antisemitische Sachbeschädigungen, so die Bilanz der Meldestelle.
»Die Häufung der Angriffe und Bedrohungen nehmen wir mit Beunruhigung wahr. Mehr Betroffene als im vergangenen Jahr wandten sich an uns, weil sie besorgniserregende Erfahrungen machten und uns in diesen schwierigen Situationen Vertrauen entgegenbrachten«, so Projektleiter Steinitz weiter.
Eine besondere Häufung von antisemitischen Attacken registrierte RIAS im Mai 2018. Als Grund werden »israelfeindliche Mobilisierung im Zuge der 70-Jahr-Feier des Staates Israel und der Verlegung der US-amerikanischen Botschaft in Israel von Tel Aviv nach Jerusalem« vermutet.
Reaktionen Zu dem nun von RIAS vorgelegten Bericht sagt Lala Süsskind, Vorsitzende des Jüdischen Forums für Demokratie und gegen Antisemitismus: »Judenfeindliche Vorfälle verharren in Berlin weiter auf konstant hohem Niveau. Traurig genug! Zusätzlich erleben wir einen massiven Anstieg von körperlicher Gewalt gegenüber Personen, die als Juden erkennbar sind.«
Der Bericht sei sehr verdienstvoll, weil er öffentlich macht, inwieweit jüdisches Leben in Berlin bedroht wird, betont Süsskind. »Im täglichen Engagement gegen Antisemitismus sind wir jedoch alle gefordert. Denn die Auseinandersetzung mit dem Antisemitismus ist der Lackmustest für die deutsche Demokratie nach der Schoa.«
Wir erleben einen massiven Anstieg von körperlicher Gewalt gegenüber Personen, die als Juden erkennbar sind, betont Lala Süsskind.
Marina Chernivsky, die Leiterin des Kompetenzzentrums für Prävention und Empowerment der Zentralwohlfahrtsstelle der Juden in Deutschland (ZWST), sagt zu dem Bericht: »Die Bestandsaufnahme zeugt von einer ungebrochenen Kontinuität antisemitischer Ideologien, die Menschen dazu verleiten, ihren Hass offen zu zeigen. Es bedeutet auch, dass die Wahrnehmung von Antisemitismus durch die jüdische Bevölkerung nicht nur Ängste abbildet, sondern auf realen Erfahrungen beruht.«
niedrigschwellig Der Antisemitismusbeauftragte der Jüdischen Gemeinde zu Berlin, Sigmount Königsberg, betonte, das Monitoring von RIAS – insbesondere die niedrigschwellige Erfassung antisemitischer Vorfälle – sei die Voraussetzung zur Bekämpfung des Judenhasses. Die Stelle schaffe Transparenz, die notwendig sei, damit die Verantwortungsträger sich der Problemlage bewusst werden.
RIAS wurde im Jahr 2015 vom Verein für Demokratische Kultur in Berlin (VDK) gegründet; gefördert wird die Recherche- und Informationsstelle von einem Landesprogramm der Berliner Senatsverwaltung und von der Amadeu Antonio Stiftung in Berlin. Bislang kümmert sich RIAS schwerpunktmäßig um Vorfälle in der deutschen Hauptstadt, bald wird ein Bundesverband RIAS gegründet. ja/epd
Der vollständige Bericht findet sich hier.