Der ehemalige Bundesaußenminister Joschka Fischer (Bündnis 90/Die Grünen) unterstützt Friedrich Merz (CDU) in seiner Ablehnung einer Verhaftung Benjamin Netanjahus, sollte dieser Deutschland besuchen. Gegen Israels Ministerpräsidenten liegt ein Haftbefehl vor, den der Internationale Strafgerichtshof (ICC) in Den Haag im November erlassen hatte, wegen angeblicher Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit in Gaza.
Vor den Bundestagswahlen hatte Merz im Interview der Jüdischen Allgemeinen erklärt: »Unter meiner Führung wird der israelische Ministerpräsident unbehelligt nach Deutschland reisen können. Ich werde Mittel und Wege finden, das zu ermöglichen. An der engen Verbindung zu Israel lassen wir als CDU zu keinem Zeitpunkt irgendeinen Zweifel.«
Prüfung »innerstaatlicher Schritte«
Auch hatte Merz den ICC in dem Gespräch kritisiert: »Der Internationale Strafgerichtshof ist einst gegen autoritäre Staaten mit demokratisch nicht legitimierten Regierungen gegründet worden. Israel ist die einzige Demokratie im gesamten Nahen und Mittleren Osten. Es ist unvorstellbar, dass ein Repräsentant dieses Staates nun ausgerechnet wegen einer Entscheidung des Internationalen Strafgerichtshofs nicht mehr in die Staaten der Europäischen Union einreisen können soll.«
Fischer sieht dies ähnlich. Er bezeichnete gegenüber dem »Stern« den Gedanken als »abwegig«, Netanjahu die Einreise zu verweigern oder ihn strafrechtlich zu verfolgen. »Sollte Deutschland dem israelischen Premier sagen, du darfst die deutsche Grenze nicht überschreiten? Allein die Vorstellung ist doch absurd«, so der erste grüne Außenminister der Bundesrepublik.
Die Ansichten von Fischer und Merz unterscheiden sich von der Position der aktuellen Bundesregierung von Kanzler Olaf Scholz (SPD). Im November hatte Regierungssprecher Steffen Hebestreit in Zusammenhang mit dem Haftbefehl erklärt: »Wir halten uns an Recht und Gesetz.« Ihm zufolge werden »innerstaatliche Schritte« erst geprüft, wenn sich ein Besuch Netanjahus in Deutschland anbahnt.
Auf eine Stufe gestellt
Dies könnte der Fall sein, wenn bald die neue Regierung unter dem voraussichtlichen nächsten Bundeskanzler Merz im Amt ist. Bei einem Telefonat sprach er gegenüber Netanjahu nach Auskunft aus dessen Büro eine Quasi-Einladung nach Berlin aus. Konkret hieß es, Merz habe ihm »als offene Herausforderung gegen die skandalöse Entscheidung des Internationalen Strafgerichtshofs, den Ministerpräsidenten als Kriegsverbrecher zu bezeichnen«, eine Einladung in Aussicht gestellt.
Auch gegen Netanjahus damaligen Verteidigungsminister Yoav Gallant sowie gegen Hamas-Anführer Mohammed Deif hatte der ICC Haftbefehle erlassen. Israels Präsident Isaac Herzog und westliche Staaten kritisierten, der Strafgerichtshof habe führende Regierungsmitglieder des demokratischen Staates Israel mit Terrorführern auf eine Stufe gestellt.
Mohammed Deif wurde im Sommer des vergangenen Jahres bei einem israelischen Luftangriff gegen den Terror getötet. Die Hamas bestätigte dies erst Ende Januar.
Kriege und Terrorwellen
Die Kritik an den Haftbefehlen gegen Netanjahu und Gallant schloss weitere Aspekte mit ein. Volker Beck, der Präsident der Deutsch-Israelischen Gesellschaft, hatte nach deren Beantragung durch Karim Khan, den Chefankläger des ICC, erklärt, sein Vorgehen sei »mehr als fragwürdig«. Denn in Artikel 17 des Römischen Statutes des ICC sei die Strafverfolgung gesperrt, wenn die nationalen Gerichte funktional sind. Dies ist in Israel der Fall.
Hinzu kommt: Israel kämpft in Gaza gegen die Hamas an, um weitere Massaker zu verhindern, die sie bereits angekündigt haben. Seit 2007 überziehen die Terroristen Israel mit Kriegen und Terrorwellen. Israel verteidigt sich in einem weiteren Krieg, der ihm von der Hamas aufgezwungen wurde.
Trotz allem sorgte Israel während des Krieges für eine Versorgung der Zivilisten in Gaza, indem es 1,3 Millionen Tonnen an Hilfsgütern abfertigte. Die Streitkräfte schützten die Bewohner, indem sie sie vor bevorstehenden Angriffen gegen die Hamas in ihrer Umgebung warnten, während sie auch noch Fluchtrouten und Schutzzonen einrichteten. Laut Militärexperten ist dies in der Geschichte der Kriege ein einmaliger Vorgang.