Die Berliner Justizverwaltung bereitet für die Staatsanwaltschaft eine Richtlinie zum Umgang mit religiösen Beschneidungen vor. Bis zur Verabschiedung eines Bundesgesetzes solle damit die Rechtsunsicherheit für die Betroffenen hinsichtlich der Beschneidung beendet werden.
Justizsenator Thomas Heilmann (CDU) sagte der Jüdischen Allgemeinen: »Solange es noch keine bundesrechtliche Lösung zur Frage der Strafbarkeit von Beschneidungen gibt, streben wir eine Übergangsregelung für Berlin an.«
Derzeit prüfe man gemeinsam mit den Strafverfolgungsbehörden, wie eine solche Regelung aussehen könnte. »Dazu wollen wir auch mit Vertretern der jüdischen und muslimischen Gemeinden sowie der Ärzteschaft sprechen. Unser Ziel ist es, für die betroffenen Ärzte und Familien, die eine Beschneidung planen, in dieser Übergangszeit Rechtsklarheit zu schaffen. Jeder soll wissen, was erlaubt ist und was nicht«, so Heilmann.
Die Erarbeitung der Richtlinie werde mehrere Wochen in Anspruch nehmen. Man befände sich noch in einem sehr frühen Stadium, sagte eine Sprecherin der Justizverwaltung.
Jüdische Gemeinde Sergey Lagodinsky, Rechtsanwalt und Mitglied der Repräsentantenversammlung der Jüdischen Gemeinde zu Berlin, bezeichnete das Verfahren der Berliner Justizverwaltung als sinnvoll: »Denn es setzt genau da an, wo die Unsicherheit durch das Urteil des Landgerichts Köln ausgelöst wurde, nämlich an einer Entscheidung der Staatsanwaltschaft, das Ermittlungsverfahren einzuleiten, beziehungsweise das besondere öffentliche Interesse an einer solchen Strafverfolgung zu bejahen.«
Das Urteil des Landgerichts Köln entfalte zwar keine Präzedenzkraft, so Lagodinsky, begründe aber ein Risiko, dass sich Staatsanwälte in ganz Deutschland daran ein Beispiel nehmen und gleichartige Verfahren selbst oder nach einer Anzeige in Gang setzen. »Genau das löste die verständliche Verunsicherung bei den Betroffenen aus und genau hier könnte die Initiative des Senators zumindest vorübergehen Abhilfe schaffen.« Vom Vorstand der Jüdischen Gemeinde zu Berlin war bislang keine Stellungnahme zu erhalten.
Rechtslage Ende Juni hatte das Landgericht Köln die religiöse Beschneidung minderjähriger Jungen als Körperverletzung eingestuft. Juden und Muslime, bei denen die Beschneidung zur Tradition gehört, kritisierten das Urteil und äußerten die Sorge, bei einem Verbot ihre Religion in Deutschland nicht mehr ausüben zu können. Als Reaktion auf das Urteil kündigten mehrere Ärzte und Kliniken an, zunächst keine religiösen Beschneidungen mehr vorzunehmen.
Die meisten Staatsanwaltschaften haben sich noch nicht festgelegt, wie sie in solchen Fällen vorgehen wollen. Eine Ausnahme ist Baden-Württemberg. Dort soll die rituelle Beschneidung von Jungen weiter grundsätzlich straffrei bleiben, wenn sie medizinisch korrekt ausgeführt wird. ja