Interview

»Jeder entscheidet selbst, wo er lebt«

Herr Sharansky, die Jewish Agency möchte die Verbindungen zwischen den Gemeinden der Diaspora und Israel weiter ausbauen. Warum gerade jetzt?
Früher haben wir als offizielle Einwanderungsorganisation Israels viel für Juden getan, die verfolgt wurden. Uns ging es um die physische Rettung von Juden aus den arabischen Ländern oder nach dem Fall des Eisernen Vorhangs. Aber diese Phase ist weitgehend abgeschlossen. Auch die Einwanderung von Juden aus Äthiopien geht dem Ende entgegen. Natürlich beobachten wir die Situation in Marokko, der Türkei, im Jemen, im Iran und in Venezuela sehr genau. Aber 94 Prozent aller Juden leben heute in der freien Welt. Und deshalb ist es eine zentrale Aufgabe, ihre jüdische Identität zu stärken. Das Judentum in Deutschland spielt dabei eine wichtige Rolle.

Inwiefern?
Weil es als einzige jüdische Gemeinschaft in der jüngsten Zeit exponentiell gewachsen ist – nach unserer Rechnung von 30.000 Menschen auf 250.000, denn wir zählen alle mit. Andererseits ist es eine Gemeinschaft, die auf mehr als 100 Städte verteilt lebt, und in vielen Orten gibt es kaum jüdische Infrastruktur. Die Gefahr der Assimilation ist also sehr groß. Und deswegen wollen wir unsere Besuchsprogramme für junge Menschen in Israel ausbauen – sei es Taglit, Masa oder Heritage. Viele dieser Projekte entwickeln wir zusammen mit den Gemeinden in der Diaspora. Und wir investieren viel mehr Geld als vor einigen Jahren.

Wie wollen Sie junge Juden, die in Deutschland bequem und sicher leben, zur Einwanderung nach Israel bewegen?
Alija ist eine natürliche Entwicklung, die aus der Stärkung jüdischer Identität folgt. Manche Menschen gehen dabei bis zum Schluss und wandern nach Israel ein. Andere nicht, aber sie werden zu Gemeindeaktivisten oder sind für Israel aktiv. Und wieder andere tun gar nichts von alledem, aber sie sorgen dafür, dass ihre Kinder als Juden aufwachsen. Ich sehe keinen Widerspruch zwischen Menschen, die ihre jüdischen Gemeinden stärken, und denen, die als Einwanderer Teil eines starken Israel sein wollen.

Befördert Antisemitismus die Alija?
Antisemitismus ist nicht unser Verbündeter, denn der neue Judenhass richtet sich gegen Israel. In Universitäten in den USA habe ich viele junge Juden gesehen, die darauf reagieren, indem sie sich von Israel entfernen. Wir müssen positive Botschaften aussenden und Menschen zeigen, dass das Judentum ihrem Leben mehr Bedeutung gibt.

Würden Sie sich wirklich wünschen, dass alle Juden nach Israel einwandern?
Ich bin Zionist, aber jeder soll selbst entscheiden, wo er lebt. Heute wohnt fast die Hälfte der jüdischen Weltbevölkerung in Israel. 100 Prozent werden wir kaum erreichen. Ich gehe aber davon aus, dass es in wenigen Jahrzehnten 75 bis 80 Prozent sind. Wichtig bleibt, dass die Diaspora sich weiterhin mit Israel verbunden fühlt.

Mit dem Chef der Jewish Agency für Israel sprach Ayala Goldmann.

Brüssel

Keine Nato-Rüstungsaufträge mehr an israelische Firma?

Einem Bericht verschiedener Medien zufolge ist Israels führendes Wehrtechnikunternehmen Elbit Systems wegen Korruptionsverdachts vorläufig von weiteren Vergabeverfahren ausgeschlossen worden

 10.12.2025

Polen

Neun polnische KZ-Opfer werden im Juni seliggesprochen

Die Nationalsozialisten brachten in Dachau und Auschwitz auch Hunderte polnische Priester um. Die katholische Kirche verehrt mehrere von ihnen als Märtyrer. Bald werden neun weitere Geistliche in Krakau seliggesprochen

 10.12.2025

Soziale Medien

Historiker: Geschichte von tanzendem Mädchen in KZ frei erfunden

Ein Faktencheck

 10.12.2025

Deutschland

Rechtsextremismus beunruhigt Deutsche stärker als Zuwanderer

Antisemitische Vorurteile nehmen bei Türkeistämmigen zu, während die Angst vor Rechtsextremismus bei Deutschen ohne Migrationshintergrund besonders hoch ist. Was verrät die neue KAS-Studie noch?

 09.12.2025

Medien

Äußerst ungewöhnlicher Schritt: Irans Staatssender gesteht Fehler bei Kriegsberichterstattung ein

Nach dem Krieg gegen Israel gesteht der Präsident des iranischen Staatssenders eine Falschmeldung ein. Die Hintergründe

 09.12.2025

Umfrage

KAS-Studie: Antisemitische Vorurteile nehmen bei Türkeistämmigen zu

Die Konrad-Adenauer-Stiftung hat eine neue Studie zum Zusammenleben in der Einwanderungsgesellschaft vorgelegt. Dabei wurden auch Einstellungen zu Juden abgefragt

 09.12.2025

Naher Osten

Bericht: Keine Rolle für Tony Blair bei Gaza-Friedensrat

Anstelle Blairs ist der bulgarische Diplomat und ehemalige Nahostgesandte Nickolay Mladenov im Gespräch, wie die »Financial Times« vermeldete

 09.12.2025

Frankfurt am Main

Lufthansa Cargo stoppt Militärtransporte nach Israel

Während die politischen Beziehungen zwischen Berlin und Jerusalem eine Annäherung erleben, ist dies im Luftfahrt-Bereich nicht der Fall. Warum?

 08.12.2025

Berlin

Presseschau zum Israel-Besuch von Kanzler Friedrich Merz

Wie bewerten deutsche Leit- und Regionalmedien Merz‘ Antrittsbesuch bei Ministerpräsident Benjamin Netanjahu?

 08.12.2025