Hans-Christian Köllmer ist ein glühender Verehrer des tödlich verunglückten österreichischen Nationalisten Jörg Haider. »Der hat mir schon imponiert, auch seine Aussagen«, sagt der direkt gewählte Bürgermeister der 25.000 Einwohner-Gemeinde Arnstadt am Fuße des Thüringer Waldes. Der ehemalige CDU-Mann ist Kopf der lokalen Wählerinitiative »Pro Arnstadt«. Überdies sieht er sich im gleichen politischen Lager wie der umstrittene Österreicher. »Ja, ich bin rechts, ein Populist auch, nämlich volksnah«, sagt er in seinem barocken Dienstzimmer sitzend, »national« sei er auch. Auf dem wuchtigen Schreibtisch des Hobbyschützen Köllmer liegt eine historische Vorderladerpistole. In seiner Amtsführung spielt verklärende Geschichtspolitik eine wichtige Rolle. Das schafft Identität. Arnstadt ist die älteste Stadt Thüringens, aber wenn sie auf ihre Geschichte zurückblickt, werden die Jahre 1933 bis 1945 geflissentlich übergangen. So verwundert es nicht, dass sich Köllmer neuerdings zur Wählervereinigung Pro Deutschland bekennt, die am Wochenende zu ihrem Bundesparteitag im Schöneberger Rathaus in Berlin zusammenkam. Die Vereinigung gilt als Sammelbecken für konservative Geschichtsrevisionisten und tatsächliche Rechtsextremisten.
potenzial Der mitgliederschwachen Pro Deutschland passt Köllmer gut ins Konzept, denn bislang kommt die Initiative nur schwer aus ihrem Stammland heraus, wo sie – weit weg von Thüringen – als Pro NRW der NPD den Rang bei der rechten Wählerklientel abgelaufen hat. NRW-Innenminister Ingo Wolf (FDP) bezeichnete die Vereinigung als »Gefahr für die Demokratie« – gerade weil es ihren Mitgliedern immer wieder gelinge, sich als Teil der gesellschaftlichen Mitte zu inszenieren. Auf Kritik an seinem Pro-Deutschland-Engagement reagiert Köllmer mit einem kruden Vergleich: »Wird heute wieder ausgegrenzt, wie im Dritten Reich die Juden?« Dem Vorsitzenden von Pro Deutschland, Manfred Rouhs, ein Funktionär mit einschlägiger rechtsextremer Biografie, gefällt Köllmers Haltung, er sieht in ihm »großes Potenzial«, denn »schließlich genießt er in Arnstadt hohes Ansehen«. Der Gelobte nimmt das Kompliment gerne an. »Wenn die bei Pro Deutschland sagen: Der Köllmer denkt so wie wir, dann ist das in Ordnung.« Deshalb ist der Bürgermeister für Pfarrer Michael Damm ein »geistiger Brandstifter«. Köllmer gäbe den Rechtsextremisten Auftrieb und grenze andere aus. »Wenn ich rechts bin, weil ich meine Heimat liebe, dann bin ich halt rechts«, sagt Köllmer. Auf die Frage, was denn die ausländerfeindliche Idee von Pro Deutschland mit Arnstadt zu tun habe, wo es kaum Ausländer gibt, antwortet er vielsagend: »Wehret den Anfängen.« Fremde duldet Köllmer in seiner Stadt also nicht. Dafür aber heimatliche Neonazis, die ihm huldigen – als »stets um Korrektheit bemühten Bürgermeister«.
aufmarsch 2009 fand in Arnstadt der Thüringentag der nationalen Jugend statt: der größte jährliche Aufmarsch der landesweiten gewaltbereiten Neonaziszene. Üblicherweise wenden sich die Bürgermeister gegen diese Veranstaltungen, denen dann ein liebloser Platz am Stadtrand zugeteilt wird. In Arnstadt fand der Thüringentag mit Köllmers Billigung im Schlosspark statt. Das lokale Anzeigenblatt »Stadtecho«, das von einem Parteigänger aus dem Umfeld von Köllmer herausgegeben wird, feierte den Aufmarsch der »nationalen Kameraden« als einen Sieg der Meinungsfreiheit.
Thüringens Innenminister Peter M. Huber (CDU) hat längst angekündigt, Pro Deutschland durch den Verfassungsschutz beobachten zu lassen, »wenn die Initiative in Thüringen Aktivitäten entfaltet«. Denn Köllmer will der Bewegung hier »zu mehr Geltung verhelfen«. Außerdem denkt der Wahlbeamte darüber nach, für Pro Deutschland bei den kommenden Bundestagswahlen zu kandidieren. Bis dahin will er Bürgermeister bleiben – mithilfe der CDU, die ihn seit Jahren mitträgt. »Für uns zählt nur die lokale Politik, was Köllmer darüber hinaus treibt, ist uns zunächst egal«, sagt ein CDU-Stadtratsmitglied.
provokation Die Landesgeschäftsführerin der CDU, Cornelia Geißler, schätzt die Situation in Arnstadt so ein, »dass Köllmer mit seiner Ankündigung nur provozieren wollte, es am Ende aber nicht in die Tat umsetzt«. Aus dem Umfeld des Bürgermeisters heißt es, dass er zunächst verfolgen wolle, ob sich Pro Deutschland tatsächlich zu einer erfolgreichen Initiative entwickle. Beim Bundesparteitag in Berlin kamen 80 Menschen zusammen – deutlich weniger als erwartet – und stritten über Geld.