UN-Resolution

Ja, aber?

Abstimmung über die Gaza-Resolution in der UN-Vollversammlung in New York am 27. Oktober Foto: picture alliance / ASSOCIATED PRESS

Gott schütze mich vor meinen Freunden. Vor meinen Feinden schütze ich mich selbst.» Spätestens seitdem die Vereinten Nationen mit überwältigender Mehrheit eine Resolution verabschiedeten, in der die Worte «Hamas», «Terror» sowie «Massaker», «Geiseln» und «Recht auf Selbstverteidigung» einfach nicht vorkommen, zeigt sich die bittere Gültigkeit dieser alten jüdischen Überlebensweisheit.

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Unerträglich und leider ebenso vorhersehbar wie Deutschlands Abstimmungsverhalten: das auffällige Wegducken und Sich-Enthalten. Tschechien stimmte gegen die Resolution. Sie schäme sich für die UNO, erklärte Verteidigungsministerin Jana Černochová und forderte sogar den Austritt ihres Landes. In einer «Organisation von Terroristen-Fans, die das Grundrecht auf Selbstverteidigung nicht respektiert», habe die Tschechische Republik «nichts verloren».

Im Schulterschluss mit der vermeintlichen Pro-Palästina-Bewegung schweigen die Vereinten Nationen zu dem Kriegsverbrechen der Hamas, sich in Krankenhäusern und Schulen zu verschanzen und die Zivilbevölkerung daran zu hindern, sich in Sicherheit zu bringen. So wird der antizionistische Kampf mit palästinensischem Leid munitioniert.

Für die Opfer des Massakers hatten die Vereinten Nationen nicht einmal eine Schweigeminute übrig – aber Israels Gegenwehr führte sofort zu einer Resolution, die die Hamas jubeln lässt und allen friedensbereiten Palästinensern in den Rücken fällt.

Wer jetzt einen Waffenstillstand und die «Befreiung Palästinas» fordert, unterstützt die Errichtung eines islamistischen Terrorstaates und die Vernichtung Israels. Wer dagegen Palästinensern Freiheit ermöglichen will, der muss sich auch für Israels Sicherheit verantwortlich fühlen.

Das Vertrauen in eine mögliche Zweistaatenlösung wird sich in Israel nach dem Trauma des 7. Oktober nur sehr langsam wieder herstellen lassen. Denn Juden in Israel und weltweit leben seither auf einem anderen Planeten, und zwar in unmittelbarer Nähe zum «Planeten Auschwitz». Schutzlos erleben sie den Verrat, sowohl privat durch Freunde als auch quer durch die politischen und sozialen Milieus.

Überall erfahren Juden jetzt, was für jede israelische Regierung galt – der Hass richtet sich nicht gegen ihre Politik, sondern gegen ihre Existenz. Doppelt tragisch dabei: Die Apologeten des Judenhasses stärken die extremistische jüdische Rechte und vergrößern so das Leid der Palästinenser, denn je größer Israels Isolation ist, umso geringer ist der Einfluss von außen.

Um überhaupt aussichtsreiche Friedensverhandlungen zu ermöglichen, braucht Israel glaubwürdige Sicherheitsgarantien. Diese zu organisieren, wäre die Aufgabe des UN-Generalsekretärs. Er aber redete den antisemitischen Schreihälsen nach dem Mund.

In seinen 45 Sätzen im UN-Sicherheitsrat widmete António Guterres ganze vier Sätze dem Terror der Hamas und der Forderung nach Freilassung der Geiseln. Seine Rede, in der er das Pogrom vom 7. Oktober als Folge israelischer Besatzungspolitik darstellte, wird in die Geschichte eingehen als Blaupause für eine schamlose Täter-Opfer-Umkehr. «Die Attacken der Hamas passierten nicht in einem Vakuum», erklärte Guterres. Bis dahin stimmt es. Dann aber hätte er so fortfahren müssen: «Zur Vorgeschichte gehört unser Versagen als Weltgemeinschaft gegenüber den Palästinensern und den Juden. Wir haben 1947 die Schaffung von zwei Staaten für zwei Völker beschlossen, ohne aber dafür die Verantwortung zu übernehmen. Unmittelbar nach seiner Staatsgründung wurde Israel von seinen arabischen Nachbarn überfallen. Wir sind als Völkergemeinschaft nicht zur Verteidigung herbeigeeilt.» Ferner hätte Guterres betonen sollen: «Wir haben zu Recht die Siedlungspolitik Israels kritisiert, aber die Entstehung einer islamistischen Infrastruktur in Gaza mithilfe Katars und des Iran zur Vernichtung Israels geflissentlich übersehen.»

All das hat er nicht gesagt. Und auch keine andere UN-Organisation unterstützt Israel oder fordert wenigstens von der Hamas, die Evakuierung der Zivilbevölkerung zu ermöglichen, oder von Ägypten, die Grenze zu öffnen und vorübergehend Schutz zu gewähren. Es ist wie immer: Die UN verpassen, frei nach Israels einstigem Außenminister Abba Eban, keine Chance, eine Chance zu verpassen. Vor 50 Jahren hat Eban auf der Genfer Friedenskonferenz nach dem Jom-Kippur-Krieg eine zutiefst bewegende Rede gehalten: «Die Krise im Nahen Osten», sagte er, «hat viele Konsequenzen, aber nur einen Grund: Israels Recht auf Frieden, Sicherheit und Souveränität, sein schlichtes Grundrecht auf Leben wurde mit Gewalt verweigert und permanent angegriffen.»

Seine Rede hat nichts an Aktualität eingebüßt, schon gar nicht das bittere Fazit: «In letzter Konsequenz wird niemand außerhalb Israels auch nur im Ansatz bereit sein, sein Leben für Israels Überleben zu riskieren. Deshalb bitten wir um Respekt dafür, dass wir allein die Verantwortung tragen und damit auch allein urteilen müssen, was die Grundbedingungen sind für Israels Sicherheit und Überleben.»

Wer sich nach dem Pogrom vom 7. Oktober nicht zu Israels Recht auf Selbstverteidigung bekennt, hat jede moralische Legitimation für mahnende Worte verloren.

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