Pro & Contra

Ist Trump gut für die Juden?

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PRO: »Er erzielte zwischen 2017 und 2021 im Nahen Osten historische Erfolge«, meint Len Sander

Meine Mutter stellte mir kürzlich in einem Telefonat die Frage, wofür Donald Trump denn eigentlich stünde. Ich antwortete ihr – und diese Antwort wäre vor seiner Entscheidung, amerikanischer Präsident werden zu wollen, dieselbe gewesen: Trump steht gegen das Establishment. Auf viel mehr lässt er sich weiterhin nicht festlegen.

Aber er ist von denjenigen, die mit dem Status quo aus den unterschiedlichsten, teils widersprüchlichen Gründen nicht mehr leben konnten, zu ihrem Fürsprecher erwählt worden. Entgegen den Ressentiments deutscher Medien ist Trump auch nicht ursächlich für das Aufbranden gesellschaftlicher Konflikte, er ist bloß ihr Ausdruck – ein Medium.

Deswegen schlagen die Ergebnisse seiner Arbeit die grelle Rhetorik. Die Trump-Regierung erzielte zwischen 2017 und 2020 im Nahen Osten historische Erfolge, von denen Israel und die gesamte Region langfristig profitieren. Mit den Abraham Accords nahm Israel das erste Mal seit 25 Jahren wieder diplomatische Beziehungen mit arabischen Staaten auf – und zwar mit gleich vier von ihnen. Allein diese Verträge waren von durchschlagender Bedeutung, und falls in den kommenden Jahren weitere hinzukämen – etwa mit Saudi-Arabien –, wäre das ein direktes Ergebnis der Trumpschen Diplomatie.

2017 erkannten die USA Jerusalem als Israels Hauptstadt an und damit die Realität der Stadt, in der das israelische Parlament seit 1966 seinen Sitz hat. Später dann die Golanhöhen, die de facto schon vor Jahrzehnten israelisches Staatsgebiet geworden waren. Auch das »Defunding« der UNRWA, die palästinensische Lebenslügen bis in die Ewigkeit zu verlängern sucht, oder der Ausstieg aus dem gefährlichen Atomabkommen mit dem iranischen Regime zählen zu Trumps Erfolgen.

Seine Rhetorik der Disruption hatte den Vorteil, den Raum für solche Akteure zu öffnen, die bereit waren, Veränderungen zu bewirken und nicht bloß die desaströse, fragile Machtbalance im Nahen Osten als gottgegeben zu akzeptieren. Das ist vielleicht nicht Trumps Verdienst. Aber egal, wie man den Mann finden mag: Ohne seine erste Präsidentschaft würde Israel heute sehr viel schlechter dastehen.

»Allein die Abraham Accords waren von durchschlagender Bedeutung.«

Len Sander

Für viele amerikanische Juden glich die Zeit seit dem 7. Oktober 2023 einem Albtraum. Linker und muslimischer Antisemitismus verbrüderten sich und zeigten sich schockierend offen. Linke Kräfte nahmen dabei häufig die Rolle als Strategen, Multiplikatoren und Verstetiger antisemitischer Ressentiments ein. Die identitäre Linke hat die antisemitischste Generation Amerikas seit Jahrzehnten hervorgebracht – die unter 24-Jährigen.

Auf der republikanischen Seite stehen Figuren wie Elise Stefanik, die sich dadurch hervortat, Antisemitismus relativierende Elite-Uni-Präsidenten im Repräsentantenhaus zu grillen. Sie wird in Trumps kommender Regierung als UN-Botschafterin arbeiten und dort voraussichtlich die anti-israelische Doppelmoral der Institu­tion anprangern.

Auch Marco Rubio, zukünftiger Außenminister, und Morgan Ortega als stellvertretende Sondergesandte im Nahen Osten werden der Regierung angehören, glühende Gegner des Antisemitismus. Ortega war schon 2020 wichtiger Teil der Bemühungen gewesen, die zu den Abraham
Accords geführt hatten.

Zur Wahrheit gehört aber auch, dass sich zentristische Demokraten wie John Fetterman gegen den Trend in der eigenen Partei stellten und standhaft blieben. Man erinnere sich daran, wie er sich vor einem Jahr auf dem Dach seines Wohnhauses mit einer Israelflagge postierte, weil direkt davor gegen ihn demonstriert wurde. Demokraten wie Fetterman haben sich so selbst unter erbitterten politischen Gegnern Respekt verschafft.

Und natürlich gibt es im MAGA-Kosmos auch Akteure, die sich eine Abkehr der US-Unterstützung für den jüdischen Staat wünschen. Ein extremes Beispiel hierfür sind die sogenannten »Groypers«, eine offen antisemitische Online-Strömung um den Rechtsradikalen Nick Fuentes. Einfluss auf Trumps tatsächliches Team haben diese wohl nicht, viele der Groypers wandten sich noch während des Wahlkampfes von Trump ab.

Vonnöten wäre also ein Bündnis derjenigen Amerikaner, die die US-israelische Allianz unterstützen und den einheimischen Antisemitismus jeglicher Couleur kompromisslos bekämpfen wollen. Fraglich, ob das gespaltene politische Amerika dazu in der Lage ist. Wird unter Donald Trump Politik gemacht werden, die Israel und den amerikanischen Juden zugutekommt?

Legt man den Maßstab seiner ersten Amtszeit und seines zukünftigen Regierungspersonals an, kann man darauf nur mit Ja antworten. Dass die Verhandlungen zur Freilassung der israelischen Geiseln durch die Hamas und ein Waffenstillstand in Gaza unter seiner Beteiligung wenige Tage vor seinem Amtsantritt kurz vor dem Durchbruch zu stehen scheinen, lässt zumindest hoffen.

Len Sander ist Politikredakteur bei der »Berliner Zeitung«.

***

CONTRA: »Sein Interesse an Geschäften kann sich als stärker erweisen als sein Engagement für Israel«, warnt Deidre Berger

Die Geschichte hat immer wieder gezeigt, dass jüdische Sicherheit und jüdischer Wohlstand in einer demokratischen Gesellschaft am besten aufgehoben sind. Autoritär gesinnte politische Führer lehnen Gleichheit, Bürgerrechte und demokratische Kontrolle ab. Täuschen wir uns nicht: Ihre implizite oder explizite Verachtung von Minderheiten und Einwanderern bedroht früher oder später auch jüdisches Leben, selbst dann, wenn es nicht zu offenem Antisemitismus kommt.

Mit Donald Trump wird jemand Präsident der USA, der seine Niederlage bei den Wahlen 2020 nie akzeptiert hat. Er hat die Gewalt des bewaffneten Mobs, den er ermutigt hat, am 6. Januar 2021 das US-Kapitol zu stürmen, niemals angeprangert und wird wahrscheinlich viele verurteilte Straftäter begnadigen. Bei einigen der von ihm nominierten Kabinettsmitglieder stehen Integrität und Qualifikationen infrage, sie zeichnen sich dadurch aus, dass sie die Behörden, die sie wahrscheinlich leiten werden, zum Teil auflösen wollen. Berichten zufolge orientieren er und sein Übergangsteam sich am »2025 Presidential Transition Project« der konservativen Heritage Foundation, einem detaillierten Plan für grundlegende Veränderungen zur »Reform« der Bundesregierung im Sinne der konservativen und rechten Politik.

An der Spitze dieser Umstrukturierung der amerikanischen Demokratie wird ein Präsident stehen, der in seinen Entscheidungen unberechenbar und launisch ist. Zu seinen Angriffszielen gehören das Justizsystem, der Wahlprozess, die unabhängigen Medien und alle Ebenen des Bildungswesens. Wenn es einen gemeinsamen Nenner bei diesen Zielen gibt, dann ist es die Verstärkung des präsidialen Griffs auf die Macht in allen Säulen: Legislative, Exekutive und Judikative.

Die Außenpolitik wird von seinen isolationistischen Tendenzen bestimmt, einschließlich der Drohungen, die USA aus der NATO herauszuziehen und die US-Garantien für die westliche Sicherheit zu reduzieren. Trumps Außenpolitik war während seiner letzten Amtszeit unberechenbar. Dazu gehörten die Behauptung, die Ukraine zu verteidigen, während er Sicherheitshilfen zurückhielt, der Abzug von US-Truppen aus Syrien auf Drängen des türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdoğan, was diesem die Freiheit gab, die Kurden anzugreifen, die die wichtigsten Verbündeten im Kampf gegen ISIS waren, und ein »Friedensabkommen« mit den Taliban, das zu einem chaotischen Abzug der US-Truppen in Afghanistan führte.

»Trump macht Einwanderer zu Sündenböcken und stereotypisiert Juden.«

Deidre Berger

Trump hat eine lange Geschichte impulsiver Entscheidungen und inkohärenter strategischer Ziele. Er bedroht, schikaniert und schüchtert sowohl politische Gegner als auch Mitglieder seiner Partei ein, geht mit Verschwörungstheorien hausieren, bedient sich fremdenfeindlicher und rassistischer Rhetorik, macht Einwanderer zu Sündenböcken und stereotypisiert Juden. Dennoch sprachen sich in einer Umfrage am 5. November 2024 zwei Drittel der Israelis für Trump aus. Er erhielt 32 Prozent der amerikanisch-jüdischen Stimmen. Viele jüdische Unterstützer halten Trump für israelfreundlich. Während seiner letzten Amtszeit verlegte er die US-Botschaft von Tel Aviv nach Jerusalem und initiierte das Abraham-Abkommen zwischen Israel und vier arabischen Ländern.

Angesichts der launischen Natur von Trumps außenpolitischer Ausrichtung ist es jedoch unmöglich vorherzusagen, ob die Unterstützung Israels auch in seiner kommenden Amtszeit eine Priorität bleiben wird. Sein Interesse an Geschäften, insbesondere wenn sie Familie und Freunden zugutekommen, kann sich als stärker erweisen als sein Engagement für Israel.

Innenpolitisch ist die Bereitschaft von Präsident Trump, Antisemitismus zu bekämpfen, ambivalent. Er hat wiederholt die unzureichenden Maßnahmen der Universitäten gegen Antisemitismus verurteilt. Ging es ihm dabei aber eher um die Denunziation der »leftist radicals« und von »Wokeness«? Auch lehnt Trump die Überprüfung von Fakten in den sozialen Medien ab, ein wichtiges Instrument zur Eindämmung des Antisemitismus. Sein Berater Elon Musk hat die Moderation von Inhalten der Social-Media-Plattform X gelockert. Trump lobte Meta-CEO Mark Zuckerberg für seine jüngste Ankündigung, die Beschränkungen für Hassreden auf Facebook und Instagram aufzuheben.

Zeitgleich zu einer erratischen Politik mit demokratiepolitisch negativen Auswirkungen während Trumps erster Amtszeit nahmen laut der Anti-Defamation League (ADL) der Antisemitismus und andere Hassverbrechen in den USA zu. Dennoch konnte Trump 2024 seine Unterstützer­basis in der amerikanisch-jüdischen Gemeinschaft beibehalten. Da jedoch zwei Drittel der Wähler für Kamala Harris stimmten, gab es keine spürbare Verschiebung im traditionellen Wahlverhalten. Die Mehrheit der amerikanisch-jüdischen Wähler sandte eine klare Botschaft: Ein Präsident, der beabsichtigt, die Bundesregierung zugunsten eigener Machtfülle zu stärken, untergräbt die Demokratie und gefährdet die jüdische Gemeinschaft in den USA.

Deidre Berger ist Partner und Programmdirektorin des Tikvah Instituts und war langjährige Direktorin des American Jewish Committee Berlin (AJC).

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