Nach der mit Hilfe der AfD beschlossenen Steuersenkung in Thüringen steht die CDU im Feuer der Kritik. SPD, Grüne und Linke sind empört. Der FDP-Vorsitzende Christian Lindner, dessen Partei im Landtag mit CDU und rechtsextremer AfD gestimmt hatte, wies den Christdemokraten die alleinige Verantwortung zu. Nur die CSU steht zu ihrer Schwesterpartei.
Was ist passiert?
Die oppositionelle CDU hat im Landtag eine Senkung der Grunderwerbsteuer durchsetzen können, weil die rechtsextreme AfD, die FDP und fraktionslose Abgeordnete zustimmten. Ministerpräsident Bodo Ramelow, einziger Regierungschef der Linkspartei in einem Bundesland, hat mit seiner rot-rot-grünen Koalition im Landtag keine Mehrheit und ist grundsätzlich auf Hilfe aus der Opposition angewiesen. Die Grunderwerbsteuer wird beim Immobilienkauf fällig. Sie ist in Thüringen mit am höchsten und sinkt nun von 6,5 auf 5 Prozent.
Was ist die Kritik?
Die Thüringer AfD von Björn Höcke ist einer der radikalsten Verbände der Partei. Der Verfassungsschutz des Landes stuft ihn als erwiesen rechtsextrem ein und beobachtet ihn. »Die CDU reißt die Brandmauer nach rechts außen immer weiter ein«, sagte Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) der Deutschen Presse-Agentur. »(CDU-Chef) Friedrich Merz hat immer wieder gesagt, es gibt keine Zusammenarbeit mit der AfD. Heute hat man sich gemeinsam auf den Weg gemacht«, kritisierte der SPD-Vorsitzende Lars Klingbeil in der ARD. SPD-Generalsekretär Kevin Kühnert sieht ein Tabu gebrochen: »Wenn das in der CDU Schule macht, dann wird der Parlamentarismus nach dem heutigen Tag ein anderer sein. Demokraten dürfen die AfD niemals zum parlamentarischen Zünglein an der Waage machen.«
Die AfD hingegen reibt sich die Hände. »Merz‹ Brandmauer ist Geschichte - und Thüringen erst der Anfang«, schrieb Partei- und Bundestagsfraktionschefin Alice Weidel auf der Plattform X, vormals Twitter.
Hat die Thüringer FDP nicht auch mit CDU und AfD gestimmt?
Ja, FDP-Chef Lindner weist eine Mitverantwortung seiner Partei aber zurück. »Jetzt wollen wir Ursache und Wirkung nicht verwechseln«, sagte der Bundesfinanzminister auf einer Interview-Veranstaltung der »Augsburger Allgemeinen« (Freitag) am Sitz des Blattes. Es sei ein Antrag der CDU-Landtagsfraktion gewesen. »Deshalb ist das jetzt die Verantwortung der CDU.«
Die Vorsitzende der FDP-Nachwuchsorganisation Junge Liberale, Franziska Brandmann, richtet zwar auch den Hauptvorwurf an die CDU: »Es verbietet sich für aufrechte Demokraten, politische Initiativen zu starten, deren Gelingen von der Unterstützung durch Rechtsextreme abhängig ist.« Der ARD sagte sie aber auch: »Bürgerliche Politik muss ohne die AfD gemacht werden. Punkt. Diesen Grundsatz zu vertreten und zu verteidigen, liegt in besonderem Maße in der Verantwortung von Union und der FDP als bürgerlichen Parteien - in Thüringen, wo das heute nicht funktioniert hat und über Thüringen hinaus.«
Wie rechtfertigt sich die CDU?
Ihr Landesvorsitzender Mario Voigt sieht die Durchsetzung der Steuersenkung als eine Maßnahme, um unzufriedene Wähler wieder von der AfD zurückzugewinnen. »Die Leute haben die Schnauze voll von diesen politiktaktischen Spielen, sondern was sie wollen ist, dass man sich tatsächlich um ihre Sorgen kümmert«, sagte der Landtagsfraktionschef in der ARD. »Wir müssen mit Inhalten die Menschen überzeugen, dann gewinnen wir sie auch von den Rändern zurück.« Er bekräftigte: »Der Kompass der CDU ist klar: Wir arbeiten nicht zusammen mit der AfD.« Absprachen mit ihr soll es vor der Abstimmung nicht gegeben haben.
CDU-Bundeschef Merz hatte bereits vorher gesagt, die CDU bringe in mehreren Landtagen eine Senkung der Grunderwerbssteuer ein und mache sich dabei nicht von anderen Fraktionen abhängig. CSU-Chef Söder findet das richtig: »Da hat er Recht«, sagte der bayerische Ministerpräsident bei RTL. »Im übrigen läge es an den anderen demokratischen Parteien, diese gute Idee einer Steuersenkung zu unterstützen, denn Entlastung für Bürger ist ja nichts Extremes, sondern sinnvoll.«
Wie regiert Rot-Rot-Grün denn in Thüringen ohne Mehrheit?
Mit Unterstützung unter anderem der CDU. Seine Partei mache eine konstruktive Oppositionsarbeit, sagte Voigt. Den Kritikern warf er eine Doppelmoral vor: »Die rot-rot-grüne Minderheitsregierung hat mehrere Beschlüsse in diesem Parlament nur mit den Stimmen der AfD hinbekommen und hat dadurch die Mehrheit erhalten. Und das zeigt, dass diese Doppelstandards nicht funktionieren.«