Am selben Tag wie das umstrittene Nationalitätengesetz verabschiedete die Knesset auch eine neue Version des Leihmutterschaftsgesetzes. Es räumt zwar alleinstehenden Frauen das Recht auf das Kind einer sogenannten Leihmutter ein, will dieses Recht schwulen Männern allerdings nicht zugestehen.
Das brachte am Sonntag mehr als 80.000 Menschen auf die Straße. Eine Mehrzahl der Israelis hat nichts gegen gleichgeschlechtliche Ehen, Adoptionen und Leihmutterschaft. Der Kampf lesbischer Frauen und schwuler Männer, Eltern zu sein und in der Armee dienen zu können, hat zentrale Werte in Israel zwar ausgedehnt, aber nie infrage gestellt.
Gleichheit Israel war nie ein liberaler Staat, obwohl die Menschen selbst liberal sind. Israel wurde auf dem Grundsatz gegründet, dass es der Nationalstaat des jüdischen Volkes ist. Liberale Prinzipien sind Prinzipien der Gleichheit. Ethno-nationale Prinzipien sind Prinzipien der Ungleichheit.
Liberale Prinzipien sind Prinzipien der Universalität, ethno-nationale Prinzipien sind solche der Partikularität. »Jüdisch« und »demokratisch« mögen auf der theoretischen Ebene widersprüchlich sein, werden aber in der Praxis ständig bis zum Zerreißen ausgehandelt. Die Menschen in Israel waren immer schon liberaler als ihr Staat.
So gesehen sind die umstrittenen Gesetze der vergangenen Woche ein verzweifeltes Aufbäumen der politischen Klasse gegen die Lebenspraktiken der eigenen Bürger. Das gilt auch für das Gesetz, das Israel als »Nationalstaat des jüdischen Volkes« definiert. Dass damit etwa Arabisch seinen Status als offizielle Amtssprache verliert, wird im gesellschaftlichen Leben wohl nichts verändern – außer dass man die fast 21 Prozent zählende arabische Bevölkerung brüskiert.
Wohl auch deswegen, weil eine neue Generation von Arabern in Israel aufgewachsen ist, die der jüdischen Bevölkerung immer ähnlicher wird. Wenn man an Privilegien gewöhnt ist, fühlt sich Gleichheit wie Unterdrückung an, sagt schon ein altes soziologisches Klischee.
Der Autor ist Soziologe in Tel Aviv.