Meinung

Israels 9/11

Entsetzt und fassungslos: Es sind schwarze Tage für Israel, für das gesamte jüdische Volk. Foto: Flash 90

Der 7. und 8. Oktober 2023, Sche­mini Azeret und Simchat Tora 5784, werden leider in die Geschichte eingehen. Es sind schwarze Tage für Israel, für das jüdische Volk. Genau 50 Jahre nach dem Beginn des Jom-Kippur-Kriegs erleben wir eine Zeit, die jenen Krieg in den Schatten stellt.

An keinem anderen Tag nach der Schoa wurden mehr Juden ermordet als am Schabbat. Nach diesem Wochenende wird das Leben für Israelis, für Juden auch in Deutschland ein anderes sein. Die Grausamkeit des Terrorkrieges der Hamas, vor allem die grenzenlose Brutalität gegen die Zivilbevölkerung, macht fassungslos.

Niemals dürfen wir vergessen, wie dieser Krieg begonnen hat. Der abgrundtiefe Hass gegen Juden, der aus den oft sexualisierten und entmenschlichenden Massakern spricht, lässt Golda Meirs Satz, es werde dann Frieden geben, wenn die Araber ihre Kinder mehr lieben, als sie uns hassen, in weite Ferne rücken. Nur wenn dieser Hass bekämpft und besiegt wird, können wir auf Frieden hoffen. Wer jemals geglaubt hat, dass es der Hamas – und auch der Fatah, die den Terror bedingungslos unterstützt – um etwas anderes geht, als Juden auszulöschen und Israel zu vernichten, der weiß nun, dass er geirrt hat.

Palästinensischer Terror mit deutschen Steuergeldern

Die Wurzeln dieses Hasses liegen in der Vernichtungsideologie der Hamas. Jede Zahlung an palästinensische Organisationen muss sofort beendet werden. Ungeachtet dessen, ob es staatliche oder nicht staatliche Gelder sind. In keiner Weise kann ihre Verwendung sicher überprüft werden. Erst, wenn das geschieht, können Hilfsgelder wieder fließen. Der palästinensische Terror wird auch mit deutschen Steuergeldern finanziert.

Erste Ankündigungen ließen darauf hoffen, dass dieser seit Jahren kritisierte Zustand endlich behoben wird. Aber Relativierungen und Erklärungsversuche – leider auch aus Teilen der Bundesregierung – trüben bereits dieses Bild. Es ist ein großer Fehler, wenn zwischen Entwicklungshilfegeldern für die Palästinenser und humanitärer Unterstützung unterschieden wird. Die Mittel wurden und werden für den Terror missbraucht.

Auch Zahlungen aus Deutschland an das »Hilfswerk der Vereinten Nationen für Palästina-Flüchtlinge im Nahen Osten« (UNRWA) müssen eingestellt werden. Vielleicht fließt kein Geld direkt an die Hamas, aber nachweislich wird mit den Mitteln, etwa in Form antisemitischer Bildungsmedien, der Hass geschürt.

An keinem anderen Tag nach der Schoa wurden mehr Juden ermordet als am Schabbat

Die Wurzeln des Hasses liegen auch im Iran, der ohne Zweifel Drahtzieher dieses Terrors ist. Unmissverständlich muss die Haltung gegenüber dem Mullah-Regime in Teheran sein. Die deutsche Politik muss entschieden auf den im Atomvertrag mit dem Iran verankerten Rückfall zu den härtesten Sanktionen gegen das Land hinwirken. Der Iran gefährdet nicht nur Israel und Juden, sondern die gesamte freie Welt.

Unsere Gedanken sind bei den Angehörigen der Opfer der palästinensischen Barbarei – ihnen gilt unser Mitgefühl. Viele Juden in Deutschland haben Freunde und Familie in dem Land. Der Terror trifft auch die jüdische Gemeinschaft in Deutschland. Den Sicherheitsbehörden ist für ihr schnelles und beherztes Handeln zum Schutz jüdischer Einrichtungen zu danken.

Insgesamt ist der Zuspruch aus Politik und Zivilgesellschaft groß. Er tut gut. Israel und seinen Bürgern gilt unsere Solidarität. Die Juden in Deutschland stehen zu Israel; auch oder gerade in einer Zeit, in der das Land mit sich selbst gerungen und gestritten hat. Die grausame Gleichung der Hamas ging nicht auf. Die Israelis stehen zusammen und die jüdischen Gemeinden überall mit ihnen. Unsere Herzen sind immer mit den Menschen in Israel.

Judenhass ist Mainstream

Unfassbar sind für uns die verstörenden Jubelszenen auf deutschen Straßen von arabischen Gruppen, die das Morden in Israel gutheißen und sogar feiern. Leider haben es die muslimischen Verbände versäumt, hier klar Stellung zu beziehen. Wir erleben bereits jetzt, dass sich muslimische Jugendliche gegen ihre jüdischen Altersgenossen wenden, sie anpöbeln, sogar handgreiflich werden.

Dabei ist ganz klar: Wir dürfen nicht pauschalisieren. Jugendliche werden angeheizt durch radikale Gruppen, die bereits Jahre zuvor immer wieder mit antisemitischen Parolen aufgefallen sind. Judenhass ist Mainstream unter muslimisch geprägten Jugendlichen und jungen Erwachsenen. Dieser Befund ist so traurig wie notwendig.

Wer lange Zeit relativiert und die Augen davor verschlossen hat, weiß nun, er hat geirrt.

Und auch hier gilt: Wer lange Zeit relativiert und die Augen davor verschlossen hat, weiß nun, er hat geirrt. Vereine mit Verbindungen zu Hamas oder Fatah gehören endlich verboten. Der Rechtsstaat muss konsequent jeden treffen, der Terror unterstützt und damit zu Gewalt in unserem Land aufruft. Für Zurückhaltung ist nicht die Zeit. Wer Judenhass auf deutschen Straßen skandiert, muss spüren, dass dies nicht nach Deutschland gehört.

Die Zeit ist ein Test für uns alle. Wie wir, alle gemeinsam, als deutsche Gesellschaft, Juden oder Nichtjuden, Migrationshintergrund oder nicht, in den kommenden Tagen und – ja, ich befürchte – Wochen und Monaten mit dem Krieg in Israel umgehen, wird uns als Gemeinwesen für lange Zeit prägen. Jüdinnen und Juden in Deutschland dürfen auch trotz dieser schrecklichen Erlebnisse auf deutschen Straßen den Glauben an unsere Gesellschaft nicht aufgeben. Niemals dürfen wir unsere Empathie und Menschlichkeit verlieren.

Der Autor ist Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland.

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